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Unrestaurierte Traction Avant | |||
Ueberlegungen zum Erhalt alter Fahrzeuge
im Originalzustand |
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Friedrich Forssman | |||
Der Streit zwischen den Liebhabern gründlicher Restaurierungen und
denjenigen, die die Patina eines Fahrzeuges für einen wichtigen Bestandteil
seiner Geschichte halten, wird endlos währen. Ich bekenne mich zur
zweiten Gruppe und finde, daß es für eine Totalrestaurierung
nur zwei Gründe gibt: Erstens ein wirklich schlechter Zustand des
Fahrzeuges, der einen Teil-, geschweige denn einen Ganz-Erhalt der ersten
Schicht nicht zuläßt. Und zweitens eine mangelhaft erfolgte
Restaurierung, wie man sie so oft antrifft. Die Gründe hingegen,
ein altes Fahrzeug ein solches sein zu lassen, sind vielschichtig: Ein
historisches Fahrzeug ist eben nicht nur Form, sondern auch historisches
Dokument seines Alters und Alterns; restaurierte Fahreuge hingegen sehen
aus wie 1:1-Modelle. Der Umgang mit einem patinierten Fahrzeug ist lässiger;
man hat nicht bei jeder Fliege, die an der Windschutzscheibe zerschellt,
das Gefühl, nun sei es kein "1+"-Auto mehr, und man setzt
sich auf die abgenutzten Sitze, statt auf Nicht einfach ist die Frage zu beantworten, wie Patina zu erhalten ist. Ich bin in Verbindung mit einem Technik-Restaurator; wenn er einen Pflegeplan ausgearbeitet hat und Interesse besteht, berichte ich gerne von den Maßnahmen. Dies zum Allgemeinen, auf Gegenargumente bin ich neugierig. Nun zum Speziellen,
meinem Citroën Traction
Avant 11 BN von 1955, Bleu Nuit. Einige Einbauten im Motorraum sind nicht original: Die Solex- Benzinpumpe
wurde lahmgelegt und durch eine modernere ersetzt, der Vergaser ist neueren
Datums, die Kupplung stammt, wie mir gesagt wurde, aus einem VW LT 28
und die Lichtmaschine wurde auf Drehstrom umgebaut. Beim Defekt eines
dieser neueren Teile (und ich bin tractiongläubig genug zu denken,
daß die neuen Teile nicht so lange halten werden wie die alten)
werde ich sie wohl wieder durch Originale ersetzen lassen. Auch der Motor
ist kein 11D, sondern ein einfacher 11 Perfo. Den würde ich nicht
so gerne bald ersetzen müssen, "Atelier Automobile" hat
ihn aber gründlich überholt und z.B. Auf den bekannten Kalauer, daß es sich um Fahrzeuge handele und nicht um Stehzeuge, habe ich unter anderem dadurch reagiert, daß ich mit der Traction aus meinem Wohnort Kassel zu Daniel Eberlis vorzüglichem Reparaturkurs gefahren bin, eine Reise von (inklusive Umwegen) 1400 Kilometern. Seitdem trägt die Traction stolz eine Schweizer Autobahnvignette (und stolz war ich, als der Schweizer Zoll das Fahrzeug hinauswinkte. Ist eben doch ein Gangsterwagen, wie? Doch lediglich ein abgelaufener Personalausweis reichte leider nicht zur stilechten Nacht hinter Gittern). Ein tiefes Gefühl der Hochachtung für die Konstrukteure und die Arbeiter am Band, die ein Stück komplexer Technik von derartiger Standfestigkeit produziert haben, überkommt mich jedesmal, wenn ich nach längerer Fahrt den (reichlich abgerundeten Original!-)Zündschlüssel abziehe. Dies ist mein einziges Auto und ich habe vor, es noch 50 Jahre zu fahren; dann bin ich 90 und stelle einen Chauffeur ein. Spätestens dann bekommt man das Benzin gewiß wieder, wie zu Beginn der Automobil- Ära, nur in der Apotheke. Und wenn ich überhaupt 90 werde, dann gewiß auch dank meiner Überzeugung, daß es eine Fortbewegungsart gibt, die noch lässiger ist als sogar das Tractionfahren: Das Gehen. |