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Klausenrennen 2006

Ausflug der Region Ost mit Besuch beim spektakulärsten Bergrennen Europas

Rudolf Weber

Wer es verpasst hat, ist selber schuld. Nur alle paar Jahre - es scheint sich ein Vierjahresrhythmus einzupendeln - findet das legendäre Klausenrennen statt. Traditionell ist das Wetter schlecht und auch ist es nicht ganz einfach zu Parkplätzen und guten Zuschauerräumen zu kommen.

Wenn nun die Regionalgruppe Ost des CTAC den Tractionisten anbietet, den Anlass organisiert durchzuführen und dazu strahlendes Wetter herrscht bleibt dieses Bergrennen als Eintritt ins Paradies der Oldtimerfreunde in Erinnerung.

Die erste Überraschung war schon an der Triagestelle ein gutes Stück vor Linthal. Statt weit ab vom Schuss auf einen Grossparkplatz eingewiesen zu werden winkten die freiwilligen Verkehrshelfer die Tractionisten auf die sonst gesperrte Hauptstrasse nach Linthal. Dort standen Werni König und Hans Bollhalder vom OK Ost um die Fahrzeuge gleich beim Hotel Adler auf einen exklusiven Privatparkplatz zu weisen. Nach den rasch erledigten Formalitäten wie Ticketausgabe etc. blieb genügend Zeit um nicht nur den traditionellen Welcome-Kaffee mit den Kollegen zu trinken sondern auch um einen ausgedehnten Bummel durch die "Endstation des Glarnerlandes" zu machen.

Der sonst recht verschlafene Ort war kaum wieder zu erkennen. Rennatmosphäre der Vorkriegsära war allenthalben zu spüren oder wohl besser zu riechen und zu hören. Aus verschiedensten Hotelgaragen, Gewerbebauten und sonstigen Unterkünften rollten die wertvollen historischen Rennfahrzeuge. Mechaniker bemühten sich um einen letzten Service, Motoren wurden gestartet und überprüft. Einige Fahrer gaben ihren Perlen mit dem Poliertuch einen Finish, andere hüteten sich mit Textilien dem Fahrzeug auch nur nahe zu kommen um die sich im Verlauf der Jahre angesammelte Patina ja nicht zu beschädigen!

Schon fast ein Renngefühl sollte sich einstellen, als die Tractionistengruppe nun den ersten Teil des Klausenpasses in Gruppenformation in Angriff nahm. Wenn man im offenen Fahrzeug durch den Tunnel fährt, ist die Geräuschkulisse imposant genug, eigentlich wäre es nicht nötig gewesen, dass der uns kreuzende historische Reispostwagen noch sein Dreiklanghorn ertönen liess. Das ging nur knapp an einem Gehörschaden vorbei!

Der Urnerboden zeigte sich dank guter Witterung von seiner besten Seite. Im Gegensatz zu einem Anlass im Zürcher Weinland im nassen August, wo Bauern die Fahrzeuge mit ihren Traktoren einzeln aus den schlammigen Wiesenparkplätzen schleppen mussten, war der Alpboden trocken und fest, womit man die Fahrzeuge wiederum in Paradeaufstellung parkieren konnte. Natürlich war der CTAC nicht der einzige Oldtimerclub, der diese Parkgelegenheit benutze; somit war nur schon die historische Autosammlung der Besucher den Anlass wert.

Lange konnte allerdings der Bummel durch diesen Wagenpark nicht genossen werden, ist es doch an solchen Ausflügen üblich, sich im Kreise der Kameraden tüchtig zu stärken. Und da dieses Mahl nicht das Rennen unterbrechen sollte, musste es vorgängig absolviert werden. Damit war der offizielle Teil des CTAC-Ostausfluges beendet, blieb es doch den Teilnehmern überlassen, wo und wie lange sie nun an die Rennstrecke stehen wollten, um das Spektakel zu geniessen.

Zu Dritt machte wir uns bald auf die Socken, kannte man doch von den vorgängigen Klausenrennen einen sensationellen Zuschauerraum, welcher allerdings mit einem einstündigen Anmarsch verdient sein wollte. Dafür würde sich der Ansturm bestimmt in Grenzen halten. Beim Schlierenegg überblickt man nicht nur den grössten Teil der oberen Rennstrecke und kann so Zweikämpfe über eine lange Strecke verfolgen, nein, man ist auch hart an einer Haarnadelkurve und kann zu den verschiedenen Kurventechniken der Fahrer seinen fachmännischen Kommentar abgeben. Zudem ist ein Verpflegungsposten mit Bier und Würsten zur Stelle und ein Speaker gibt seine Erläuterungen zu Fahrern und Fahrzeugen ab.

Wenn nun die ganze Szenerie im wärmsten Sonnenlicht liegt und der Alpboden eine natürlich Arena mit unbeschränkter Anzahl von Sitzplätzen bildet, kann man sich nur fragen - "Oldtimer-Herz, was begehrst Du mehr?"

Das Rennen selbst gliedert sich in zwei Teile. Für die erste Gruppe besteht der Wettkampf in einem Gleichmässigkeitslauf. Es kommt also nicht auf die Geschwindigkeit an, sondern dass man mit Sekundenpräzision das Ziel in einer vorgegebenen Zeit erreicht. Jede Abweichung nach oben oder nach unten gibt Abzugspunkte.

Im Gegensatz zur zweiten, eigentlichen Renngruppe sind die Bedingungen für die Teilnahme am Gleichmässigkeitslauf wesentlich moderater. So braucht es beispielsweise keine Rennlizenz. Es wurde bald klar, dass etliche Teilnehmer sich nicht um gute Platzierung bemühten sondern, Richtzeit hin oder her, möglichst schnell den Pass hinaufbretterten oder wie der Speaker immer wieder betonte, einfach Spass haben wollten. Die ernsthafteren Teilnehmer an diesem Wettbewerb wirkten natürlich nicht so attraktiv, wenn sie trotz PS-Kraft ihre Veteranen relativ gemütlich den Berg hinauf lenkten.

Deshalb harrten alle Zuschauer aus um endlich die eigentlichen Rennläufe zu beobachten, welche den Höhepunkt aber auch den Abschluss dieses denkwürdigen Klausenrennens bedeuten würden.

Ich kann mich kurz fassen - mit Worten lässt sich dass Geschehen auf der engen Passstrasse nämlich nicht beschreiben. Man muss das gesehen, gerochen, gehört und gefühlt haben. Die wahnwitzige Überholmanöver, die unsynchronisierten Schaltvorgänge vor den Haarnadeln, die Powerslides die einige vorführten, die Entfesselung des vollen Drehmomentes beim Ausgang der Kurve und das Echo der donnernden Motoren an den Felswänden.

Ein Detail muss ich aber erwähnen. Im Startfeld befand sich nämlich ein eher aussergewöhnliches Fahrzeug, dass weder ein historisches Rennfahrzeug war noch in seiner Zeit als Sportwagen galt. Es handelte sich um Christian Heussis Traction Avant Cabriolet aus dem Jahre 1938. Wenn man sieht, was Christian aus diesem Fahrzeug herausholt, welches - gemäss der zeitgenössischen Werbung - eher als Freizeitvergnügen für reiche Damen mit Schosshündchen gebaut wurde, bedauert man, dass André Citroën sich grundsätzlich nicht für den Rennsport begeistern konnte.

Der tiefe Schwerpunkt und die eklatanten Vorteile des Vorderradantriebes sind nur zwei Faktoren, die dazu beihelfen, dass Heussi im Feld von Alfa Romeos und BMWs eine gute Figur machte. Und in der Tat, beim zweiten Rennlauf vom Sonntag siegte er in seiner Kategorie, indem er in 15 Minuten und 32 Sekunden von Linthal auf den Klausenpass raste. Damit nahm er beispielsweise einem Triumph aus der selben Kategorie knapp 3 Minuten ab.

Selbst wieder in der Traction sitzend hätte man gerne ein wenig Rennatmosphäre genossen. Aber nicht nur die öffentlich Verkehrsordnung stemmt sich dagegen sondern auch die Tatsache, dass tausende von Zuschauern durch den Flaschenhals des Glarnerlandes dem schweizerischen Mittelland zuströmten. Dies bot die Gelegenheit, die hübschen Dörfer zwischen Linthal und Glarus im Schritttempo zu betrachten.

Und zu staunen! Unzählige Einheimische hatte es sich in Stühlen am Rande der Kantonsstrasse bequem gemacht und beobachteten die Blechkaravane Richtung Norden. Immer wieder wurde einem zugewunken und man empfing die besten Wünsche für die Heimkehr. Für das Glarnerland scheint das Klausenrennen ein grosser Tag zu sein, für den man auch den zusätzlichen Verkehr in Kauf nimmt. Man ist als Flachländer willkommen. Man realisiert, dass ein solcher Anlass für den Tourismus mehr bringt als eine teure Werbekampagne. Der VCS dürfte auf alle Fälle im Glarnerland noch während Jahren auf ein steiniges Pflaster stossen.


Um mindestens eine kleine Kostprobe vom "Hören" zu geben, ist hier ein kurzer Filmclip abrufbar.

 

 

PS: Für Leser, die ihre Traction schädigen, in dem sie Christian Heussis Fahrstil nachahmen, übernimmt der Autor dieses Beitrags keine Haftung. Es stecken doch einige Spezialitäten in seinem Fahrzeug. Anders wäre es wohl kaum möglich einen Tractionmotor auf über 7000 Touren zu beschleunigen, ohne dass er bleibende Schäden davon trägt. Wer mehr wissen möchte, erkundigt sich am besten gleich selbst bei ihm: chrheussi@datacomm.ch