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Ausflug 2009 der Region Nord zur Nagelfabrik
27. September 2009
Bericht und Fotos: Jürg Deller


Geschichtlicher Rückblick: Vitodurum mit der ungefähren geographischen Lage 8°28‘ östlicher Länge und 47°28‘ nördlicher Breite, zu Cäsars Zeiten eine wichtige strategische Landmarke - halt, stop, das ist glaub etwas zu weit zurückgeblickt. Also nochmals von vorne: 1895 n.Chr. produziert die Nagelfabrik in Winterthur, heute liebevoll “Nagli“ genannt (so, jetzt sind wir im richtigen Jahrhundert), zum ersten Mal Nägel mit Köpfen. Mitte des 20. Jahrhunderts sind in der Schweiz mehr als ein halbes Dutzend Nagelfabriken in Betrieb. Die Nagli ist die kleinste von allen, und weil das damals bestehende Kartell der Nagli nur 3,5% der schweizweiten Produktion zugestand, waren die Besitzer nicht zufrieden. So nahmen sie mit Freuden Kenntnis vom Wackeln des Kartells Ende der Sechzigerjahre. Das Wackeln entwickelte sich zum Nagelbeben, was 1970 dazu führte, dass alle Schweizerischen Nagelproduzenten einstürzten. Alle? Nein, die kleinste von allen widerstand allem Ungemach und brachte es fertig, vom Einsturz der Grossen zu profitieren, sich aus deren Konkursmasse für ihre Erneuerung die nötigen Maschinen sehr günstig zu erwerben und sich damit die Existenz zu sichern. Heute ist die Nagli die einzige Nagelfabrik der Schweiz, rentiert als Familienunternehmen (10 Angestellte und Lehrlinge) und produziert über 40% der Nägel, die in unserem Land vernagelt werden. Sie exportiert sogar noch ihre Produkte, vor allem nach Deutschland. Der Besitzer des Unternehmens, Herr Gratewohl, steht selber vor den Maschinen und ist für Firmenfremde nicht von den Angestellten zu unterscheiden (Übergwändli, schwarze Hände, Ohrenschutz etc.).

Die Anfahrt ist kurz, Wallisellen - Winterthur ist schnell bewältigt. Wunderschönes Wetter - es soll niemand mehr sagen, dass die Region Nord keinen guten Draht nach oben habe!

Treffpunkt beim Aldi in Winterthur
Die Besammlung für KaGiOrasa (KafiGipfeliOrangensaft) direkt im ehrwürdigen Maschinenraum der Nagli ist eine sehr gute Idee. Eine beachtliche Zahl interessierter Tractionisten ist bereit für die Führung.

Die grosse Zahl bedingt, dass zwei Gruppen gebildet werden. Wir erhalten erst mal eine Einführung in die Geschichte der Fabrik, dann etwas Theorie, anschliessend wird uns von kundiger weiblicher Vorgesetzter manche Maschine und mancher Arbeitsgang sehr gut verständlich erklärt.
Kaffee-, Gipfeli- und Ölgeschmack vermischen sich -Tractionistenhimmel Wer weiss heute noch was Transmissionsriemen sind!
Helle Kleider sind die ideale Kluft für diese spezielle Umgebung, denn darauf sieht man am schnellsten die möglichen Berührungspunkte mit den Exponaten. Öl, Fett, Graphit, Abrieb ist allgegenwärtig.
Nagel ist nicht einfach Nagel. Da gibt es lange, kurze, dicke, dünne, mit grossen oder kleinen Köpfen, mit Prägung oder Flachkopf, solche die Holz mit Holz verbinden und solche, die Dachziegel mit Holz verbinden, welche aus Stahl oder Kupfer oder Aluminium, solche mit spitzer Spitze, solche mit stumpfer, U-förmige und S-förmige, kein Ende abzusehen.
"Schmieren und Salben hilft allenthalben"
Die Nagli hat etwa 200 Sorten Nägel in ihrem Repertoire. Der benötigte Draht wird in Rollen geliefert und gelagert, wird, wenn nötig, auch dünner gemacht. Er muss für die Produktion gerade gemacht werden.
Produktepalette der ehemaligen Nagelfabrik Biel. Heute bietet die Nagelfabrik Winterthur ein ähnliches Sortiment an.
Stück für Stück wird er abgeschnitten, zugespitzt und so geschlagen, dass ein Kopf entsteht. “Nägel mit Köpfen zum Nageln mit Köpfchen“, wie das Motto heisst. Die Nägel werden in uralten oder alten Holzbehältern gesammelt und später in der Spedition mit einer speziellen Sortiermaschine verpackungsgerecht gewogen und zurechtgeschüttelt, damit sie nicht kreuz und quer in der Schachtel liegen und Platz vergeuden. Die über 110 Jahre alten vertikalen Schlagmaschinen wurden zwischen 2000 und 2004 restauriert, und wir dürfen einer dieser Maschinen bei der Arbeit zuschauen.
Einrichtung für das Gräden des Drahtes

Ein Lehrling setzt sie in Betrieb, nicht ohne uns vorgängig gekonnt damit vertraut zu machen. Die Geräusche dieser Maschine sind wie Musik, wirklich. So kann auch rasch festgestellt werden, wenn irgend etwas am komplizierten Mechanismus aus dem Ruder läuft.Der Antrieb dieser Maschinen ist original erhalten und erfolgt von einem zentralen Elektromotor (früher war es Dampfkraft) über Wellen und Transmissionsriemen. Später hat jede Maschine ihren eigenen Elektromotor erhalten.

Führungen in der Nagli sind schon seit Jahren beliebt. Angefangen im 1999 mit 20 Besuchern , wurden diese Zahlen eindrücklich gesteigert bis 2008 mit 2300 Besuchern. Das beweist, dass es richtig ist, solche Kultur zu pflegen. Da wir Tractionisten an alter Mechanik natürlich immer sehr interessiert sind, reicht die vorgesehene Zeit für die Führung (eine Stunde) selbstverständlich nicht. Unsere Führer nehmen uns das aber nicht übel und sind flexibel. Mit warmen Worten wird ihre Arbeit verdankt, und wir bewegen uns anschliessend zu unseren herausgeputzten Oldies.

Keine Wegwerfgesellschaft - diese Holzbehälter dürften ebenfalls seit über hundert Jahren in Betrieb sein

Nägel - Nägel - Nägel oder Drahtstifte, wie sie offiziell heissen
Das schöne Wetter ruft natürlich direkt dazu auf, die Dächer unserer Fahrzeuge zu öffnen (so das technisch vorgesehen ist). Dani hat Übung damit - es dauert nur kurz, und schon ist oben ohne eine Tatsache. Mit “leichter“ Verspätung setzt sich der Konvoi dann aber doch in Bewegung, denn eine abwechslungsreiche Ausfahrt gehört zu jedem Treffen.
Über Feld-, Wald- und Wiesenwege, vorgängig sauber ausgekundschaftet von HP Rubitschon und seinen Helfern, fahren wir nach Elgg.
Besitzer des Traction-Cabriolets wären froh, wenn ihr Verdeck so einfach zu falten wäre


Hier, im Restaurant Eintracht, werden wir kulinarisch verwöhnt und haben Zeit, vom Gemeinsamen weg (Traction, Nagli) über so viel anderes zu diskutieren, dass auch jetzt keine Langeweile aufkommen kann.
H.P. Rubitschon (links) und Walti Homberger (rechts) bei ihren Ansprachen

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