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Nur Fliegen ist schöner

CTAC-Süd-Ausfahrt vom 25.9.2011

Rudolf Weber

Ich fühlte mich im falschen Film. Die Szene war unbeschreiblich. Dutzende Tractionisten, also Leute die den Autossitz höchstens mit dem Bürostuhl oder dem Fernsehsessel tauschen, radelten vor meinen Augen ein Anhöhe hinauf, nicht etwas keuchend, verkrampft sondern ganz locker mit einem seltsamen Glanz in ihren Augen. Bis heute wussten sie: "Traction fahren ist das Schönste was es gibt...". Kaum einer hat heute die Meinung gewechselt aber vielleicht angefügt "... nur Fliegen ist schöner".

Flyer-Fabrik

Nun - fliegen ist etwas übertrieben, doch was die Firma Flyer in Huttwil aus dem banalen Drahtesel gemacht hat, indem sie ihm einen elektrischen "Trampverstärker" verpasste, führt schon in neue Sphären der Fortbewegung. Manch einer, der sein Fahrrad nach Abschluss der Sekundarschule in der Scheune deponiert hat, entdeckte heute neue Lust an der Fortbewegung auf zwei Rädern. Rüstige Rentner fühlen sich plötzlich wieder fit für Velotouren und reife Damen lassen ihr Auto zuhause und transportieren stattdessen ihre Einkäufe per Flyer nach Hause.

Diese neuen Einsichten sind der Leitung der Region Süde des CTAC zu verdanken, welche für ihren diesjährigen Ausflug nicht nur in die schöne Gegend um Huttwil eingeladen hatte sondern auch eine Führung durch die Fabrikanlage dieser innovativen Jungfirma ermöglichte. Dabei konnte in Erfahrung gebracht werden, dass der ursprüngliche Gründer es satt hatte, am Feierabend zu seinem Heimetli, hoch auf einem Emmentaler Hoger, raufzutrampen und sich eine elegantere Methode ausdachte. So entstand 1993 der "Rote Büffel" ein Prototyp, welcher mittels einer im Rahmen eines Alltagvelos fixierten Autobatterie und eines Lastwagen-Scheibenwischermotors über ein Kette auf das Hinterrad das Treten des Velofahrers unterstützte. Der Rest ist Geschichte. Heute ist der Flyer das führende E-BIke in der Schweiz und expandiert auch rasch in Europa.

Flyer Urmodell

Schon fast mit Bedauern musste nach den erwähnten Testfahrten der Velosattel wieder mit dem Autosessel getausch werden, stand doch nun die obligate Ausfahrt auf dem Programm. Die Route, welche Urs Steiner entworfen hatte, wäre zwar auch per Flyer reizvoll gewesen, doch vermutlich hätte die Batterie vor dem Erreichen des Mittagzieles schlapp gemacht. Auf verschlungensten Wegen, über schmalste Strässchen ging es hinauf und hinunter, vorbei an pittoresken Emmentaler Weilern wie im Bilderbuch - Bäri vor dem Hause, Geranien in allen Fenstern, Subaru in der Garage und SVP auf dem Wahlzettel. Für einen Zürcher ist es immer wieder erstaunlich, wie in knapp zweistündiger Entfernung von dieser Metropole sich eine Welt öffnet, welche eher an Gotthelf denn an Finanzkrise oder Klimakatastrophe erinnert. Eigentlich hätte man alle paar Minuten anhalten wollen um zu Fotografieren.

Leider existiert aber von der ganzen Fahrt nicht ein einziges Bild, da Fahrer und Beifahrer voll gefordert wurden, im Konvoi ja den Anschluss nicht zu verpassen und die doch relativ trägen Fahrzeuge geschickt über diese Strecke mit Rallye-Charakter zu navigieren. Eine letzte, steile Rampe führte dann auf 1139 Meter und forderte von den Fahrern diverse Schaltmanöver, was vor allem beim Wechsel in den ersten Gang bekanntlich nicht so einfach ist.

Wenn man mit 27 Fahrzeugen bei goldenem Herbstwetter einen beliebten Ausflugspunkt mit guter Küche anvisiert, stellt sich natürlich die Frage nach Parkplätzen. Tatsächlich war das Bergrestaurant Ahorn-Alp in Eriswil von allerhand Blech auf vier oder zwei Rädern umzingelt. Dass uns der Wirt eine separate Wiese für die Aufstellung der Fahrzeuge reserviert hatte, wurde hoch geschätzt und deshalb auch grosszügig darüber hinweggesehen, dass dieselbe noch kurz zuvor als Kuhweide mit entsprechender Düngung gedient hatte.

CTAC-Ausflug Süd

Die Gesellschaft drängte es nun zum späten Mittagstisch, es war nämlich bereits 14:00 Uhr. Leider konnte die Küche nicht zaubern und 58 Gästen, die auf einen Schlag eintrafen, umgehend die Suppe servieren. Auch die gewöhnlichen Touristen mussten verpflegt werden, weshalb man vorderhand mit Brot und Wein die drängensten Bedürfnisse stillte. Doch das eine Stunde später servierte währschafte Mittagessen entschädigte mehr als genug für das Warten und gab Gelegenheit, diesen letzten Ausflug des CTAC in diesem Jahre bei den üblichen Öl- und Rostgesprächen ausklingen zu lassen. Wirklich bei den übliche Öl- und Rostgesprächen? Wer genau hinhörte vernahm auch Stichworte wie Akkulebensdauer, Rahmenqualität, Ampèrestunden, Tretkraftverstärker und ähnliches mehr. Wer weiss, vielleicht trifft man in nächster Zeit den einen oder anderen Tractionisten auf einem Flyer an, welcher einem zuruft: "Nur Tractionfahren ist schöner!"

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