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Zwei Traction Avants für die Prinzessinnen

Rudolf Weber

Alle Bilder kann man durch Anklicken in einem grösseren Format ansehen

Der Besuch des Schloss Windsors, Stammsitz der königlichen Familie von Grossbritannien, versetzt einem mit ihrem mittelalterlichem Gemäuer um Jahrhunderte zurück, in eine Zeit, wo man unter Pferdestärken noch starke Pferde verstand. Ein Besuch lohnt sich, ist die Anlage doch in bestem Zustand – kein Wunder – erholt sich doch Königin Elisabeth hier, eine knappe Stunde ausserhalb Londons, regelmässig von ihren schweren Amtsgeschäften. Dass die alte Dame, welche kürzlich 91 wurde, unter Erholung nicht Untätigkeit versteht, erfuhren wir anlässlich unseres Besuchs am vergangenen Wochenende. Die Dame habe bereits einen Ausritt hinter sich, wurden wir informiert, natürlich im Damensattel.

Ihre Jugend verbrachte die damalige Prinzessin Elisabeth vorwiegend auf Windsor Castel. Aus dieser Zeit ist ein unglaublich detailliertes Puppenhaus erhalten, welches heute dem interessierten Publikum zugänglich ist. Umkreist man dieses enorme Modell, setzt dem Tractionisten ganz kurz das Herz aus. Sieht man richtig? Tatsächlich hängt an der Wand über der Türe zum nächsten Gemach ein wunderhübsches Traction Avant Cabriolet. Es ist so detailtreu, dass man auf dem nachstehenden Bild meinen könnte, es sei ein Original. Es hat allerdings nur Spielzeuggrösse, ist aber doch so gross, dass kleine Kinder darin Platz finden würden.

Wie aber kommt ein französisches Cabriolet ins Spielzimmer einer englischen Königin? Dem historisch interessierten Tractionisten ist die Geschichte vermutlich bekannt, für die anderen werde ich dies erklären.

Royal Toy Traction

Vom 19.-22. Juli 1938 besuchte der englische König, seine Frau und die beiden Töchtern Paris. Es war der erste Staatsbesuch des jungen Monarchen. Die Regierung von Frankreich schenkte den Prinzessinnen im Namen aller Kinder von Frankreich zwei exakte Modelle eines Citroën Traction Avant Cabriolets samt Puppen. Die beiden fast einen Meter grossen Puppen heissen Marianne und France (in Anlehnung an Frankreichs Geschichte) und waren durch Frankreichs berühmten Puppenmacher Jumeau modelliert worden. Die Initialen erscheinen auf den Autonummern. Im Bild sieht man Margaret und Elisabeth, welche ihre Geschenke bewundern. Die Autos sollten den Stand der innovativen französischen Technik zeigen und wurden deshalb als Modelle der revolutionären, vorderradangetriebenen Tractions gebaut. Sie wurden durch die Karosserieschmiede AEAT nach dem Original hergestellt.

royal traction

Royal Toy Tractions

Royal Toy Tractions

Die durch französische Spitzencouturiers entworfenen Kleider faszinierten die damals 12-jährige Elisabeth aber weitaus mehr, als das Auto. Dieses fristete anschliessend 50 Jahre lang ein Schattendasein auf Schloss Sandringham (Nordfolk), während die Puppen in den Buckingham Palast mitgenommen wurden. Kein Wunder, gehörte doch zu den Puppen unter anderem eine Garderobe mit 22 Paar Schuhen, 56 Paar Handschuhen, Handtaschen, Schirmen und vieles mehr. Auch die Kleider waren exakte Modelle der damaligen Spitzenprodukte der franzöischen Haute Couture. Leider währte die Freude der Prinzessinnen nur kurz, wurden die Puppen doch laufend an Wohltätigkeitsveranstaltungen gezeigt.

2004 wurden Fahrzeug und Puppen im Rahmen der Royal Collection endlich wieder vereinigt. Seitdem kann man das blaue Fahrzeug auf Schloss Windsor besichtigen. Unglücklicherweise stellte sich heraus, dass das in "vert clair" gespritzte Fahrzeug fehlte. In Frankreich geht das Gerücht um, dass das grüne Fahrzeug, welches in London in den frühen Fünfzigerjahren zuletzt gesichtet worden war, durch einen australischen Sammler erworben worden sei.

Von den Puppen kann ich kein eigenes Bild beifügen. Ich bin in der Regel ein korrekter Mensch aber für einmal übertrat ich das im Schloss herrschende Foto-Verbot und erst noch mit Blitz, um von diesem Cabriolet eine Fotografie zu machen. Für eine Aufnahme der Puppen fehlten mir die Nerven, den bereits nahten die Wächter, welche den Blitz natürlich gesehen hatten.

Gerne hätte ich mit der Zeitzeugin, welche vor 79 Jahren dabei war, etwas über die damaligen Ereignisse gesprochen. Allerdings wurde leider mein Gesuch um ein Tässchen Tee mit der Queen abschlägig beschieden.

Meine oben aufgeführten Fakten stammen grösstenteils aus einem schon 2004 in unserem Internet publizierten Artikel der englischen "Telegraph", aber auch aus einem Dokument der "Citroën Communication" und von Informationen des "Royal Collection Trusts". Auf deren Webseite ist übrigens der wunderhübsche Wagen in einer perfekten Aufnahme abgebildet!

Toy Traction Avant der Royal Collection

Auch Bilder der eigentlichen Besitzerinnen, also der Puppen, kann ich, dank Rückgriff auf die Webseite des Royal Collection Trust, beifügen:

Royal Dolls
France und Marianne

Doll France 1938

"France" in einem schicken Reisecostum. Mehr Infos zu France

Royal Dolls

Marianne muss sich für ein Abendkleid entscheiden. Mehr Infos zu Marianne