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Im Nirvana der Citroën-Enthusiasten

13. ICCCR in Interlaken vom 12. bis 15. August 2004

Glanzvoller Auftritt des CTAC

Rudolf Weber

Obwohl ich meine Traction Avant bereits seit 32 Jahren habe, bin ich eigentlich nicht Citroën-Fan. Auch habe ich – mit Ausnahme dieser Gangsterlimousine – nie einen Citroën gefahren. Mein Einstiegswagen war Renaults Konkurrenz zum 2CV, der Renault R4. Obwohl sehr erfolgreich wurde diesem anspruchslosen Vielzwecksfahrzeug leider der Kultstatus vorenthalten. Später folgten Volkswagen und Amerikaner.

Vielleicht hat es deshalb so lange gedauert, bis ich mich entschloss, ein ICCCR zu besuchen. Sehr aufwendig würde das nicht werden, findet dieses traditionelle Treffen bei seiner 13. Auflage doch dieses Jahr mitten in der Schweiz statt. Und bei schlechtem Wetter – welches, wie man sagt, an ICCCRs notorisch ist – könnte man einfach zu hause bleiben.

Doch der Wetterbericht für das Wochenende war gut und am Samstag punkt 08:00 Uhr wartete Clubkollege Peter Baltensperger mit seiner wunderhübschen „Light Fifteen“ vor meiner Haustüre neben der meine 11B etwas schwerfällig wirkte. Eine entspannende Fahrt via Luzern und Brünig führte uns nach Interlaken, wo bereits bei der Autobahnausfahrt ein unübersehbares Schild den Weg zum ehemaligen Militärflugplatz Interlaken wies. Auch der Empfang war professionell organisiert und konnte auch für Unangemeldete zügig abgewickelt werden.
Das Gelände, dominiert vom Citroën-Village und dem riesigen Festzelt

Mit gelben T-shirts gekennzeichnete Helfer konnten alle Fragen beantworten und stellten routiniert sicher, dass man auf dem Ausstellungsgelände seinen Platz finden konnte.

Dies war alles andere als selbstverständlich, denn was den Besucher nach der Eingangspforte erwartete war schlichtweg erschlagend. Auf der Piste wie auch auf den Rollwegen des Flugplatzes standen tausende von Fahrzeugen, von kleinen Rosthaufen, welche nur noch durch die Liebe ihrer Besitzer zusammengehalten wurden bis zu Concours-würdigen Oldtimerpreziosen, welche eines gemeinsam hatten – den Namen Citroën.

Der riesige Aufwand, welchen das Organisationskomitee (Peter Keller, Hans Peter Rubitschon (CTAC), Olivier Sobotkiewicz, Caspar Türler (CTAC), Ernst Bosshard) ins Marketing gesteckt hatten, u.a. mit Auftritten an allen wichtigen OTMs europaweit, hatte sich gelohnt. Aus 36 Länder waren gegen 20'000 Besucher mit über 4000 Fahrzeugen angereist. Selbst Australien war einigen Enthusiasten nicht zu weit von Interlaken entfernt, um zu hause zu bleiben. Alles was in der Citroën Szene Rang und Namen hat war vertreten.


Citroën-Taxi
Und seltenste Raritäten wurden aus Kellern und Garagen gefahren (oder gezogen) um sie den vielen Fans der Doppelwinkel-Marke zu zeigen. Ein heute äusserst rares A-Modell aus dem Jahre 1919 (Citroëns erstes Auto-Modell) war ebenso aus- gestellt wie ein Citroën-Taxi mit (Original-) Taxameter und (Nicht-Original-) Fahrer. Natürlich waren auch ausgefallenste Umbauten zu sehen oder Eigenkonstruk- tionen auf Basis irgend eines Citroën-Modelles. Noch immer bietet die 2CV-Szene die bunteste Palette.Vermutlich gibt es mehr abgeänderte Döschwos als solche im Originalzustand.
Selbst vor dem Schneidbrenner kennen diese Leute keinen Respekt.Mit etwas Fantasie lässt sich so aus zwei Hinterteilen eine Wohnwagen zusammen schweissen, welcher akurat zum entsprechenden zweipferdigen Zugfahrzeug passt. Leider sind die wirklich fantastischen Sonderkonstruktionen meist nicht zulassbar, so dass sie nur an solchen Anlässen vom Genie ihres Konstrukteurs zeugen können.Der sinnigerweise XXXM genannte Wagen eines Winterthurer Ingenieurs war eine Kabrio-Stretch-Limousine der Sonderklasse.
Basteleien ohne Grenzen

Der "Döschwo-Töff"
Er ist so lang, dass eine ganze Schulklasse darin Platz findet. Und trotzdem ist er ohne weiteres fahrbar. Abends auf einem leeren Pistenstück soll das Fahrzeug auch bei 120 km/h keine Schwierigkeiten bereitet haben. Ebenso skurril dürfte der 2CV-Töff sein. Sein Erschaffer hat eine Ente so lange von überflüssigem getrennt, bis nur noch ein Zweirad übrig war. Das ganze ist aber so professionell gemacht, dass man kaum sieht, dass es sich nicht um ein Serienfahrzeug handelt.
Der Samstag war mit seinen Aktivitäten sicher der Höhepunkt des ICCCR. Ein Gespräch mit den Organisatoren hat aber ergeben, dass nicht alles so rund lief, wie am Wochenende. Als die ersten Gäste am Donnerstag in Interlaken eintrafen, wütete ein schlimmer Orkan, welcher den Administratoren mit ihrem Papier das Leben schwer (und nass) machte und das Aufstellen von Zelten fast verunmöglichte.Wie das nicht genug wäre, folgten am Freitag sintflutartige Regengüsse, welche den Zeltplatz, wo er nicht ohnehin unter Wasser stand, in einen
Trocknen der verregneten Kleider vom Vorabend
Morast verwandelte.Da Citroënisten praktisch veranlagte Leute sind, verlegten viele ihren mobilen Wohnsitz auf das eigentliche Flugpaltzgelände, ohne sich einen Deut um Leitplanken der Organisatoren (und der dahinter stehenden Behörden) zu kümmern. Schliesslich würde man am Montag wieder abfahren und allfällige Probleme hinter sich lassen.

Kritischer Experetenblick: Walti Homberger, Vizepräsident CTAC

Zum Glück änderte sich das Wetter, der Samstag war trocken und gegen Abend sogar sonnig. Dies war wichtig, sollte doch ein Concours d’Elegance durchgeführt werden. Teilnehmer, die hofften, das ihre Fahrzeuge zu den schönsten auf dem Platz zu zählen wären, stellten sich einer kritischen Jury unter kompetenten Leitung von Walti Homberger (CTAC).Die Fahrzeuge von 1919 bis 2004 wurden in 10 Kategorien eingeteilt (z.B. Hinterradangetriebene, Traction Avants etc.).

Pro Kategorie wurden fünf Fahrzeuge ausgewählt, welche den Anforderungen nach Originalität und gepflegtem Zustand am ehesten entsprachen. Die so zusammengestellten 50 Fahrzeuge hatten von der sehr zuvorkommenden Berner Polizei die Erlaubnis, einen Korso ins Herzen von Interlaken durchzuführen und auf dem mondänen Höheweg vor dem Hotel Victoria Jungfrau aufzufahren. Somit war den internationalen Gästen für einmal nicht nur der Blick auf die Jungfrau sondern gleichzeitig auf eine einmalige Sammlung gepflegter Citroën-Modelle aus über 80 Jahren möglich.


Bad in der Menge

Links das erste Citroën-Modell aus dem Jahre 1919
Das Interesse der Zuschauer war riesig. Und da Citroën-Besitzer im Gegensatz zu Fahrer edlerer Marken, kontaktfreudig sind, und die Fahrzeuge natürlich auch nicht Millionen-Werte bei Christies erzielen, erlebten die Fahrzeuge und die Fahrer das legendäre Bad in der Menge. Stammt übrigens dieser Ausdruck nicht von Charles de Gaulle, dem grossen Tractionliebhaber?Beim Apéro richtete der Directeur der Citroën-Sammlung von Citroën Paris einige Worte an die Teilnehmer. Ihm ist es zu verdanken, dass viele rare Modelle in Interlaken gezeigt werden konnten.
Gleich mit einem zweistöckigen Sattelschlepper reisten die Franzosen an und ermöglichten vielen einen Blick auf Fahrzeuge, die sonst der Öffentlichkeit nicht zugänglich sind.
Zurück auf dem Gelände hatte man die Wahl der Qual, standen doch nicht weniger als vier Live-Musikbands im Wettbewerb und noch viel mehr Verpflegungsstände buhlten um den Appetit des Publikums. Für einmal mussten sich die mitgebrachten Kinder nicht langweilen. Derweil die Väter den Teilemarkt be- besuchten und die Damen sich dem Rhythmus einer der vielen Live-Bands hingaben konnte der Nachwuchs die verschiedenen Attraktionen der Chilbi nutzen. Nicht nur für die Kinder sondern auch für die Grossen war aber das Riesenrad ein „must“,
Das Riesenrad für Gross und Klein

Chippendale-Imitation im Showprogramm
erhielt man doch von ganz oben den beste Ueberblick über das riesige Festgelände. Je später der Abend desto mehr versammelten sich die Leute im riesigen Festzelt, wo die Allgäuer Top aufspielten. Zwischendurch wurden Teilnehmer ausgelost, denen der Eintritt zurückerstattet wurde und schliesslich kam es zur Prämierung der Kategoriensieger am Concours d’Elegance.Der Jury war die Wahl sichtbar schwer gefallen, da sie unter so vielen schönen Fahrzeugen auszuwählen hatten, welche eigentlich alle einen Preis verdient hätten.
Nett anzuschauen waren die Sieger unter den Hinterradangetriebenen. Das Ehepaar hatte sich samt Tochter in ein zeitgenössisches Kostüm geworfen, um ihrem Auto noch mehr Authentizität zu verleihen.
Am Sonntag zeigte sich dann das Berner Oberland von seiner schönsten Seite. Ein tiefblauer Himmel verziert mit Federwölkchen, welche die Berggipfel um spielten, reizte vor allem die Ausländer zu verschiedenen Ausfahrten. So war das Berner Oberland, aber auch der Brünig bis Luzern fest in der Hand von Citroën. Wo man hinfuhr begegnete einem ein 2CV, eine DS oder eine Traction. Die Interlakner hatte ihre helle Freude. Im Gegensatz zu den Zürchern wissen sie natürlich auch, dass solche Veranstaltungen eine einmalige Marketingchance für ihr Feriengebiet ist.
Hübsch herausgeputzte Traction eines Schweizer Citroën-Liebhabers
Vermutlich werden Holländer, die extra wegen dem ICCCR angefahren sind, den Wunsch verspüren später wieder einmal Ferien in der Schweiz zu machen.

Seltene Vorkriegs-Commerciale mit getrenntere Heckklappe
Auch diejenigen, welche auf dem Flugplatz blieben, mussten keine Langeweile erdulden. Hätten man schon allein zwei Tage verbringen können, um alle diese schönen Autos zu betrachten, lockten auch die Club-Präsentationen oder die Bertoni-Ausstellung. Letztere ist dem genialen Autodesigner Flaminio Bertoni gewidmet und zeigt u.a. Entwurfsstudien der Fahrzeuge, welche ihn berühmt gemacht haben. So zeichnet er nicht nur für die Traction Avant sondern auch für das Design des 2CV, des Ami6 und des DS verantwortlich.
Auch die verschiedenen Citroënclubs liessen sich viel einfallen, um den Besuchern die Tätigkeit des Clubs aber natürlich auch die entsprechenden Fahrzeuge zu präsentieren. Auch hier hob sich die 2CV-Gilde etwas aus der Menge ab, wurde doch die Bar – die an keinem Clubstand fehlen darf - mit einer Glasplatte konstruiert, welche auf zwei auf dem Rücken liegenden 2CVs auflag. Dies ermöglichte nicht nur einen tiefen Einblick ins eigene Glas sondern auch in die rostempfindlichen Eingeweide der legendären Ente.
Spektakuläre Pforte zum Zelt des CTAC

Alle Modelle - von 1934 bis 1957 - in Reih und Glied
Vermutlich nicht nur für Tractionisten war aber das Zelt des CTAC der absolute Höhepunkt. Die zwei Clubmitglieder Guido Soland und Domenic Andry hatten alle Register ihres Könnens gezogen. Um das Zelt zu betreten, musste man unter einem Mini-Eifelturm durchschreiten, welcher durch zwei Tractions flankiert war. Der Anblick im Innern des Zeltes machte manchen sprachlos. Im Halbrund standen 24 Tractions auf einem weissen Kiesweg. Vor jedem Wagen ragte ein Meilenstein, wie sie früher oft am Wegrand zu sehen waren.
Der Meilenstein wies auf den Jahrgang des Fahrzeuges hin. Sämtliche Jahrgänge, 1934 bis 1957 waren vertreten. Dass bei einem Jahr etwas gemogelt werde musste, merkten vermutlich nur die ganz eingefleischten Traction-Spezialisten. Um diese Galerie in aller Ruhe geniessen zu können, standen bequeme Sessel zur Verfügung. Und wer bei so viel Schönheit einen trockenen Mund bekam, konnte sich im Tractionrestaurant an einem kühlen Weissen erlaben oder sich eine „Pression“, frisch aus einem Traction Cabriolet gezapft, genehmigen.
Völlig überwältigt: v.l. Udo Kenkel, Koni Fisch

Reger Betrieb in der CTAC-Beiz (Dekoration: Guido Soland/Domenic Andry)

Abgerundet wurde die einmalige Stimmung in diesem Zelt mit einer „Commerciale“, welche einem Weinhändler als Transportfahrzeug diente, exakt so, wie es auf den damaligen Werbeplakaten zu sehen war.Nachdem ich ursprünglich unsicher war, ob ich zwei volle Tage für das ICCCR investieren sollte, reiste ich am Sonntag Abend mit dem Gefühl ab, dass die Zeit viel zu kurz war. Gerne hätte ich nochmals in aller Ruhe die unzähligen Autos der Teilnehmer auf der Piste bewundert.
Zum Glück kommt das nächste ICCCR bestimmt. Die Nummer 14 werden 2008 die Italiener, vermutlich in Rom, organisieren. Ob unsere südlichen Nachbarn in vier Jahren eine so tolle Organisation bieten werden, wie in Interlaken das Schweizer OK, bleibt abzuwarten. Was aber das Wetter betrifft, darf man sicher zuversichtlich sein.

 

Bildgalerie1: Die schönsten ICCCR 13 Bilder

Bildgalerie 2: Der CTAC am ICCCR 13