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Hinterrädler-Abenteuer

Daniel Eberli

1. Szene
Dass nicht nur die „Traction Avant’s“ (siehe dazu die Beiträge „Sechs Aschenbecher für einen Nichtraucher“), sondern auch die „Propulsion Arrière’s“ ihr Macken haben können, musste ich vor einigen Tagen erfahren. Angefangen hatte es damit, dass ich im nahen Rorbas einen Kurs hatte. Da das Wetter heiss und trocken war, schien es mir – genügend Wasservorrat vorausgesetzt – geradezu ideal, um mit „Fréderik“, meinem offenen AC4, zu fahren.
So fuhr ich denn an diesem schönen Morgen kurz nach 7 Uhr los, das Auto vollgetankt, den Kühler bis zum Rand mit Wasser aufgefüllt.

Von Benken ging’s nach Marthalen, dann weiter über die Hochebene nach Alten. Danach fuhr ich zügig hinunter in’s Thurtal. Bei der neuen Holzbrücke musste ich kurz anhalten um den Gegenverkehr passieren zu lassen. Anschliessend konnte ich die Brücke überqueren – und plötzlich begann Fréderik zu stottern. Während ich mich noch wunderte, zog er auch schon wieder an und lief sauber, als ob nichts gewesen wäre. – Musste sich wohl im Schiebebetrieb verschluckt haben.
- 300 Meter später rollte er aus, als ob kein Benzin mehr im Tank wäre. Ich drückte zwei, drei Mal den Anlasser, ohne Erfolg. So stieg ich aus und öffnete die Motorhaube. Ich stellte auf den ersten Blick fest, dass der Benzinfilter sauber und voll Benzin war. Da der AC4 Fallbenzin hat, hat der Vergaser einen kleinen Knopf, mit dem man den Schwimmer nach unten drücken und damit den Vergaser fluten kann. Diesen drückte ich, und ich konnte sehen, wie im Filter Benzin nachfloss.

Ein Druck auf den Anlasser – und der Motor sprang an. Ich fuhr weiter, bis nach 500 Metern der Motor erneut stotterte. Durch Pumpen mit dem Gaspedal schaffte ich weitere 200 Meter, dann war Schluss.
Ratlos steckte ich den Kopf unter die Motorhaube. Um etwas zu versuchen, schloss ich den Benzinhahn, und nach einigen Versuchen sprang der Motor tatsächlich wieder an. Aha, zu viel Benzin! Wahrscheinlich war der Lötzinn, den wir vorne auf die Düse gelötet hatten, zumindest teilweise abgefallen, so dass das Gemisch zu fett war. Mit dosiertem Öffnen des Benzinhahns (was wunderbar während der Fahrt geht, denn dieser ist weit unten rechts im Fussraum angebracht...), schaffte ich über einen Kilometer. Am Strassenrand griff ich zum Handy und bat meine Frau Agi, welche zum Glück an diesem Morgen frei hatte, mich abzuschleppen. Dann versucht ich, meine Kollegin, welche den Kurs organisierte, über meine Verspätung zu informieren. Interessanterweise meldete sie sich nicht.

Also rief ich ins Kurslokal an, wo ich erfuhr, dass erst beinahe eine Woche später wieder ein solcher Kurs stattfand. Ein Blick in meine Agenda bestätigte mir, dass ich an diesem Tag frei hatte. (Wer, wie ich, Schicht arbeitet, kann dies sicher verstehen...) – Nun, wenigstens ein Problem weniger. Wäre noch praktisch, wenn ich wenigstens das Auto aus eigener Kraft wenden könnte, dachte ich, und drückte auf den Anlasser.
Zu meiner Überraschung sprang der Motor an. Ich wendete und machte mich auf den Weg heimwärts. Nach zwei Kilometern kam mir Agi entgegen, doch ich machte ihr mit Handzeichen deutlich, dass ich so weit wie möglich mit eigener Kraft fahren wollte.
Vor der Holzbrücke bei Alten starb die Maschine wieder ab. Ich erzählte Agi, was geschehen war. Nach zwei Minuten: Ein Druck auf den Anlasser – und der Motor sprang an. Irgendwie hatte ich vorhin das Gefühl gehabt, mit Vollgas gehe es besser, so dass ich den Rest des Weges mit Bleifuss fuhr.

Tatsächlich kam ich ohne weitere Problem nach Hause, wo ich den Wagen direkt in die Garage fuhr.
Die Demontage des Vergasers zeigte nichts Ungewöhnliches, vor allem auch keinen Schmutz im Schwimmergehäuse. Ich blies die Schwimmernadel und die Hauptdüse durch und setzte den Vergaser wieder zusammen. Der Motor sprang beim ersten Versuch an.
Ich versuchte, Peter Weber telefonisch zu erreichen, aber er war nicht an der Arbeit. So fuhr ich mit „Fréderik“ nach Ossingen. Nun, Peter war nicht zu Hause, aber mein Auto lief, als ob es nie ein Problem gegeben hätte.

2. Szene
Am Sonntag möchte meine Tochter mit zwei Freundinnen nach Wagenhausen bei Stein am Rhein gebracht werden, wo sie eine Nacht im Zelt verbringen wollen. – Kein Problem, der AC4 hat ja hinten viel Fussraum und Wagenhausen liegt in einer Distanz, welche mit dem Veteranen gut zu erreichen ist. Allerdings – sooo gross ist der Fussraum auch wieder nicht! Zelt, drei Schlafsäcke, Kühlbox, Fototaschen, Wasserkanister – da kommt einiges zusammen! Ich entschliesse mich, meinen Koffer, in dem eine Wolldecke, ein Schirm und ein Werkzeugkoffer eingepackt ist (der AC4 Torpédo hat ja keinen Kofferraum!), zu Hause zu lassen. - Bei 32° braucht man nun wirklich keine Wolldecke!
Wir geniessen die Fahrt nach Wagenhausen und laden die Mädchen und ihr Gepäck aus. Dann fahren wir weiter Richtung Winterthur, wo wir in Seuzach meine Mutter im Altersheim besuchen wollen. Beim Bahnhof Thalheim klingelt plötzlich mein Handy. Peter Weber – er tönt so, als sässe er direkt in einer Handorgel – meldet sich.

Er ist an einem Familienfest und hat gesehen, wie wir vorbei gefahren sind. Wir könnten doch noch zusammen in einer Besenbeiz etwas zu uns nehmen, meint er. Wir finden dies eine gute Idee und verabreden uns mit ihm. In Seuzach fülle ich zwei Liter Kühlerwasser nach, da der Kühler und vor allem auch die Wasserpumpe leckt. (Die Reparatur ist für den nächsten Winter vorgesehen!) Die Rückfahrt zum Farhof bei Ossingen, wo die Besenbeiz steht, verläuft ereignislos. Wir parkieren das Auto publikumswirksam vor der Beiz, im Schatten und relativ schräg am Abhang. Wir bestellen uns etwas zu trinken und warten auf Peter. Nach einer Dreiviertelstunde knurrt unser Magen so laut, dass wir uns das Essen bestellen. Ich erreiche Peter am Telefon – er sei festgehalten worden. So geniessen Agi und ich das Nachtessen eben alleine. Nach dem Essen rufe ich Peter nochmals an, um ihm mitzuteilen, dass wir fertig sind und nach Hause fahren. Wir bezahlen unsere Rechnung, und setzen uns ins Auto, genau beobachtet von Dutzenden von Augen der zahlreichen Gäste. Ein Druck auf den Anlasser – „Fréderik“ springt nicht an. Ich versuche es mehrfach, doch der Motor will nicht feuern. Ich steige aus, stecke ratlos meinen Kopf unter die Kühlerhaube, flute den Vergaser und rüttle an den Kerzensteckern. Dann schliesse ich die Haube wieder. Ich steige ein, drücke den Starter – und beim vierten Versuch springt der Motor an! Das Publikum applaudiert begeistert. Mit roten Ohren fahre ich an: Wenn die wüssten, dass ich keine Ahnung hatte!
- Zwei Kilometer später – glücklicherweise ausser Sichtweite der Besenbeiz – stehen wir am Strassenrand. Während ich erneut den Kopf unter die Haube stecke, hält ein Motorradfahrer an und fragt, ob er helfen kann. Ich gebe zur Antwort. „Eigentlich nicht, ich habe keine Ahnung, woran es liegen könnte“. Der Moto Guzzi-Fahrer zieht den Helm aus, und wir kommen in’s Gespräch. Wenigstens hat er einen passenden Schlüssel für meine Kerzen bei sich. Ich baue die vorderste Kerze aus – sie ist völlig trocken, was auf ein Vergaserproblem hindeutet. Trotz des hellen Sonnenlichts stelle ich jedoch wenig später fest, dass kein Zündfunke zu sehen ist. Nach meinen Überlegungen müsste der Zündverteiler mit dem Unterbrecher in Ordnung sein. Die Teile waren noch nicht lange benutzt. Auch die Zündspule scheint mir OK zu sein.
Vor meinem geistigen Auge betrachte ich das Schaltschema des AC4. Ob vielleicht das Zündschloss??? Ich halte meinen Kopf unter das Armaturenbrett, doch neben dem hellen Gegenlicht ist es da so dunkel, dass ich kaum etwas erkennen kann.

Mit der Hand verfolge ich die Leitungen – und spüre plötzlich, dass eines der Kabel lose ist! Ich lege es vorsichtig auf das zuführende Kabel, drücke den Anlasserknopf – und der Motor springt sofort an!
Ich bedanke mich beim Motorradfahrer für seine freundliche Unterstützung. Wir fahren los – und kommen wider Erwarten ohne weiteren Halt nach Hause. Dort muss ich den Motor abwürgen, da das Zündschloss wirkungslos ist. Mit Hilfe einer Taschenlampe führe ich das Kabel wieder in die entsprechende Öffnung, ziehe die Schraube an – und das Problem ist gelöst!

3. Szene
Am Mittwochabend war Clubhöck angesagt. Das Wetter nach wie vor sommerlich warm – geradezu ideal für eine Abendausfahrt mit „Fréderik“. Jarek Stepien aus Polen ist zu Besuch, und so fahren wir zwei in der Abendsonne Richtung Winterthur. Da der AC4 kein Auto für die Autobahn ist, müssen wir durch die Stadt hindurch, um nach Illnau zu gelangen. Nicht ohne Stolz darf ich festhalten, dass bis Winterthur beim Wechsel der unsynchronisierten Gänge kein einziges Mal ein Kratzen zu hören war. Im Stadtverkehr war es etwas schwieriger, ich liess mich hin und wieder hetzen, worauf prompt die akustische Quittung vom Getriebe zu vernehmen war.
Wir erreichten das Stammlokal nach einer knappen Stunde und genossen das Zusammensein mit Gleichgesinnten.
Nachts um halb elf machten wir uns auf den Rückweg. Noch immer war es angenehm mild, und wir freuten uns auf die Fahrt.
Ich war positiv überrascht vom guten Licht, welche die alten Lampen mit 35 Watt Birnen hergaben. „Fréderik“ lief wie eine Nähmaschine.

Im Waldstück zwischen Hettlingen und Henggart fuhr ich besonders aufmerksam, um nicht überrascht zu werden, falls plötzlich Wild die Strasse überqueren sollte. Was mich dann aber bei der Autobahnbrücke bei Henggart voll in die Eisen treten liess, war nicht ein Fuchs oder ein Reh, sondern ein riesiger Bernhardiner, der sich dort auf der Fahrbahn tummelte. Aus mehr als 60 km/h brachte ich den alten Wagen mit laut quietschenden Reifen zum Stehen, wobei ich die Bremse stotternd betätigte, um das Fahrzeug auf der Spur zu halten. Kaum stand „Fréderik“, trottete das Riesenvieh gemütlich davon.

Plötzlich, beim Kreisel beim Autohaus Citroën Nord, fällt der Zeiger beim Verlassen des Kreisel wieder zurück, das Licht verlöscht – und eine Sekunde später ist alles wieder normal. „Vorgezogene Geisterstunde?“ frage ich mich.
Von Andelfingen Richtung Schaffhausen war die Autostrasse A4 wegen Wartungsarbeiten gesperrt, so dass der gesamte Verkehr über die Kantonsstrasse geführt werden musste. Und mitten drin unser AC4! Es ist schon erstaunlich, wie viele Leute nachts um halb zwölf noch unterwegs sind!

Kurz nach dem Autobahnzufahrt Örlingen verlöscht ohne Vorwarnung das Licht an meinem Auto. Anhalten auf freiem Feld scheint mir zu gefährlich, so dass ich mich entschliesse, bis ins Dorf weiter zu fahren. Der Fahrer hinter mir macht mich mit der Lichthupe darauf aufmerksam, dass meine Rücklichter nicht brennen. Da ich nicht darauf reagiere, löscht er seine Scheinwerfer ganz. Zwar können wir nun den ganzen Sternenhimmel über uns bewundern, aber von der Strasse können wir kaum mehr etwas sehen! Astro-Navigation ist auf einer zweitklassigen Kantonsstrasse doch ein wenig präzises Verfahren. Zum Glück setzt beim Gegenverkehr keiner zum Überholen an!
In Örlingen finde ich ein Plätzchen zum Anhalten, gleich neben einer Strassenlampe. Noch während ich die Taschenlampe, die ich sicherheitshalber eingepackt hatte, hervor suche, überlege ich mir, wo das Problem liegen könnte. Das Schaltschema des AC4 ist extrem einfach, was dementsprechend die Möglichkeiten für eine Störung reduziert. Da ausser der Zündung die gesamte Elektrik ausgefallen war, kam lediglich eine Leitung zwischen dem Zündschloss und einem Verteiler in Frage. Tatsächlich war eine Schraube am Verteilersteg an der Spritzwand lose. Ich zog sie fest, und kaum drei Minuten nach dem Anhalten waren wir wieder flott und schafften die restlichen paar Kilometer in kurzer Zeit.

- Macht schon Spass, so eine sommerliche Abendausfahrt im offenen Auto!