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An der Rétro und im Conservatoire Citroën
Ausflug nach Paris

Rudolf Weber

Das geheimnisumwitterte Conservatoire Citroën übt auf alle Citroën-Fans eine unwiderstehliche Anziehungskraft aus. Wer die einschlägigen Internetforen liest, weiss, dass überall bedauert wird, dass diese Institution nicht öffentlich ist. Ein Initiant hat sogar auf seiner Web-Seite dazu aufgerufen, eine Petition an Citroën zu senden, mit der Bitte doch diese einmalige Sammlung der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Vielleicht ist es eine Folge dieses Drucks, dass Citroën begonnen hat, ausgewählten Kreisen nach entsprechender Voranmeldung einen Einblick in die legendäre Lagerhalle zu gestatten.

Unser Clubmitglied Hanspeter Rubitschon, bekannt als Initiant und Vorstandsmitglied im Organisationskomitee für das 13. ICCCR in Interlaken, hat bei seinen diesbezüglichen Kontakten mit Citroën in Paris eine Beziehung zu den Verantwortlichen des Conservatoires aufbauen können, was ihm ermöglichte, einen Ausflug für Citroënfreunde aus der Schweiz ins Conservatoire zu organisieren. Und weil der Termin auf das Wochenende der Rétromobile gelegt wurde, konnte ein interessantes Programm erwartet werden.

 
Obwohl der Start am Samstag mitten in der Nacht erfolgte - die ersten Gäste wurden in Uznach um 04:00 im Reisecar erwartet - weitere pickup Orte waren Winterthur, Zürich, Baden und Basel, erfolgten schon auf der mehrstündigen Hinfahrt lebhafte Fachdiskussionen welche sich um Citroëns und deren Reparaturen oder Restaurierungen drehten. Der Carchauffeur navigierte zum ersten Mal mit einem GPS, was ihn sichtlich verunsicherte. Da seine Daten offensichtlich nicht aktuell waren, führte dieses geniale System zwar zielsicher durch Paris, schlug aber meist Einbahnstrassen vor oder wollte rechts abbiegen, wenn nur links gestattet war. So musste das Ziel mehrfach umkreist werden, bevor der Car endlich seine Passagiere vor dem Hotel entlassen konnte. Die Lage war, nahe beim Gare de Lyon, gut, auch wenn das Logis bescheiden war. Schmale französische Betten mögen zwar für Jungverheiratete eine Attraktion sein, wenn aber zwei bejahrte Citroënisten mit unterschiedlichen Schlaf- und Schnarchgewohnheiten ein solches Lager teilen müssen, verwundert es nicht, dass der eine oder andere am Morgen mit steifen Gliedern und Ringen unter den Augen auftauchte.

Erwartunsvolle Stimmung im Reisecar

Ein Teil der Reisegruppe vor der Notre Dame

Noch aber ist es Samstag und Paris ist auch ohne alte Autos eine Reise wert. Einige sportliche Teilnehmer wollten beweisen, dass sie nicht nur auf Rädern sondern auch auf Schusters Rappen unternehmungslustig sind und wanderten vom Place de la Bastille - Symbol für die französische Revolution - über die Ile de la Cité mit der beeindruckenden Notre Dame zum Palais du Louvre, durch dessen Gärten, via Place de la Concorde entlang der Champs Elysées bis zum Arc de Triomphe. Diese Schnellbesichtigung von Paris auf japanische Art wurde gewürzt mit einem unglaublichen Lärm auf der Strasse. Man hatte den Eindruck, dass da gleich etwa 20 italienische Hochzeiten auf einmal gefeiert würden. Seltsame Fahnen wurden geschwenkt und junge Leute tanzten überall. Obwohl dadurch der Verkehr gestört wurden, griff die in grosser Zahl bereitstehende Polizei nicht ein. Eine Nachfrage ergab dann die Erklärung für das rätselhafte Treiben auf dieser Pariser Prachtstrasse. Tunesien hatte an diesem Tag den Afrikacup gewonnen und die vielen in Paris ansässigen tunesischen Emigranten legten ihrer Freude keine Zügel an.

Der durch diesen Marsch erzeugte Hunger lenkte dann die Reisegruppe via Metro ins Montmarte Quartier, wo nach der Bewunderung der Basilique du Sacre Coeur ein kleines Beizchen sich gut eignete, den ersten Reisetag zu beschliessen. Leider wurde nicht in Betracht gezogen dass, die Pariser Metro zu einer für eine Weltstadt erstaunlich frühen Zeit ihre Wagen in die Remise schickt. Dazu kam ein kleiner Navigationsfehler so dass am Schluss an einer Endstation nur noch die Möglichkeit blieb, mit einem weiteren sportlichen Marsch das Nachtlager zu erreichen.

Die Freude über den Besuch der Retromobile liess aber alle Verkaterten am Sonntag Morgen rechtzeitig aus den Federn schnellen, so dass der Reisecar die Gruppe um 10:00 in die gigantische Halle am Port de Versailles entlassen konnte.

Die Rétromobile lässt sich in Bezug auf das Angebot und das Ambiente durchaus mit der OTM in Fribourg vergleichen. Nur die Dimensionen waren nicht ganz gleich.

Die Basilique du Sacre Coeur

Am Stand von Citroën

Dazu war der Anteil der Clubausstellungen an der Gesamtfläche wesentlich grösser als in Fribourg. Der Auftritt dieser Vereine war auch in der Regel aufwändiger. Teilweise waren es die Autofirmen selbst, welche die Stände in Autosalon-Technik herrichteten.

Vreni und Edgar Stocker bewundern Modellautos

Obwohl die ganze Messe von den französischen Marken dominiert wurden, stiess man unmittelbar beim Eingang auf BMW, wo alte und neue Wagen miteinander verglichen werden konnten. Ebenfalls sehr gut vertreten waren die Modellautohändler und die Verkäufer von aktueller und historischer Fachliteratur. Was Fribourg noch fehlt ist eine Ecke, wo die künstlerische Bearbeitung des Themas Oldtimer dargestellt werden kann. Nicht nur faszinierende Ölbilder sondern auch Modellautos als Kunstwerke gestaltet verlockten trotz der saftigen Preise zum Kauf. Ein Künstler hat sich auf die Schaffung von Miniaturautos fokussiert, welche Scheunenfunde darstellen. Die Modellfahrzeuge sind also rostig, zerbeult, haben aufgerissene Polster und der Himmel hängt herunter. Und dies ist alles so realistisch dargestellt, dass man, abgesehen von der Grösse, kaum glauben kann, dass es sich um ein Kunstwerk und nicht um einen Schrottplatzfund handelt.

Das Highlight war vermutlich für die meisten eine Sonderausstellung zur Croisière Jaune 1931-1932, also zur legendären Forschungsfahrt mit Citroën Kegresse Raupenfahrzeugen von Beirut nach Peking mit Traversierung des Pamirgebirges.

 

Auktionsmodelle die später versteigert wurden

Das einzige, erhaltene Fahrzeug der Croisière Jaune

Drei dieser Fahrzeuge erzeugten zusammen mit einem Zelt und zeitgenössischen Ausrüstungsgegenständen eine gute Vorstellung, wie die Forscher damals auf dieser Reise gelebt und gearbeitet haben. Erst eine gründliche Betrachtung und das Lesen der Informationstafeln klärte aber auf, dass lediglich ein Fahrzeug noch original erhalten war.

Die übrigen waren Rekonstruktionen, aber so detailgetreu, dass dies vermutlich den meisten Besuchern entgangen ist. Ein beigestellter Fernsehschirm zeigte Ausschnitte aus den Expeditionsfilmen und erklärte, dass trotz der Raupen, diese Reise äusserst beschwerlich gewesen sein muss.

Leider gab es in der Riesenhalle praktisch keine Sitzplätze und auch die Verpflegungsangebote waren viel zu knapp geplant. Irgendwann musste man, ermüdet von den vielen Reizen, Forfait geben und den restlichen Tag nutzen, um noch etwas von Paris zu sehen.

 

Das konnte z.B. der Eifelturm sein, welcher neuerdings alle Stunden für ca. 10 Minuten blitzt und flimmert, wie eine Weihnachtskerze.Den Abend verbrachten einige in einem romantischen Lokal auf der Ile de la Cité. Leider zeigte sich, dass die Pariser sich bewusst sind, dass Touristen um jeden Preis und manchmal nur einmal im Leben nach Paris kommen. Entsprechend wird für überrissene Preise in der Gastronomie nur wenig Qualität geboten, dies ganz im Gegensatz zum Ruf der französischen Küche. Und wenn man dann noch ein Glas offenen Weins zum Ausklang trinkt und dieses mit 30 Euro bezahlen muss, hört der Spass definitiv auf. Nicht einmal das bekümmerte aber jenen Reisekollegen, der eine Speise erwischte, welche ihn dann die Nacht im Bad verbringen liess und ihn derart schwächte, dass er die Rückreise im Mittelgang des Reisecar liegend verbrachte.

Der Eifelturm in nächtlicher Beleuchtung

Les doubles chevrons

Doch auch solche Kleinigkeiten konnten die gute Stimmung nicht schmälern, stand doch am kommenden Morgen der Besuch des Conservatoires auf dem Programm. Diese Ausstellung liegt etwas ausserhalb von Paris auf dem Gelände eines Citroën-Montagewerks. Wie erwähnt, handelt es sich nicht um ein öffentliches Museum. Trotzdem ist es für Besucher eingerichtet. Ein Empfangshalle ist mit einer Büste von André Citroën und zwei Winkelzahnrädern, welche zum berühmten Citroën Logo führten, ausgestattet. An der Wand hängt ein fabrikneuer, plattgewalzter C5, welcher einst bei einer Kunstveranstaltung seine schöne Form verlor. Für Besucher nicht zugänglich ist ein grosses Archiv, in welchem u.a. die Produktionsprotokolle aufbewahrt werden, aus denen jeder je produzierte Wagen ersichtlich ist.

Durch eine normale Tür schreitend sieht man sich dann unversehens ins Mekka der Citroëns versetzt. Dem Auge zeigt sich eine grosse Halle, gefüllt mit Wagen an Wagen, vom ersten Serienmodell aus dem Jahre 1919 bis zum C5. Besonders interessant sind natürlich die Prototypen und Vorserienmodelle wie auch die Concept Cars aus den späteren Jahren. Ganz eindrücklich und deshalb hier besonders erwähnt sind einige Ur-2CVs, welche bekanntlich schon vor dem Krieg produziert wurden. Das damalige Konzept sah vor, einen Wagen zu bauen, welcher nur über das absolute Minimum verfügte, welches nötig war, um einen Transportauftrag zu erledigen. Obwohl Citroën Wagen seit ihrer Lancierung 1919 über elektrische Anlasser verfügten, wurde dieser beim 2CV weggelassen. Türschlösser? Braucht es nicht. Lampen? Eine genügt. Scheibenwischermotor? Überflüssig, den Scheibenwischer kann man auch von Hand bedienen. Das Auto muss auch nicht schön sein, das kostet nur zusätzliches Geld. Und um Blech zu sparen, wurden viel dünner gewalzte Bleche als bei der Traction verwendet, diese aber gewellt, um ihnen trotzdem genügend Steife zu verleihen.

Im legendenumwitterten Conservatoire

Der Ur-2CV

Tractionisten waren ab dem gezeigten Angebot zwar erfreut, aber nicht gerade überwältigt. Mehrere schöne Fahrzeuge, welche die verschiedenen Modelle und Epochen repräsentierten, waren zu sehen.

Das geniale Traction Avant Konzept

Die Tractionmotor-Getriebeeinheit im Schnitt

Ein solcher Querschnitt ist aber auch an gut bestückten Tractiontreffen zu sehen. Fasziniert hat ein aufgeschnittener Tractionmotor, welcher vermutlich einst Schulungszwecken diente, und die Funktion dieser Maschine offenlegte. Ein weiteres Fahrzeug war in der Form präpariert, wie es auch auf alten Fotos von Autosalons zu sehen ist. Die Vorderachse samt Antriebseinheit ist abgeflanscht um das geniale Prinzip und die einfache Konstruktion dieses Vorderradantriebes zu zeigen.

Ein beträchtlicher Teil der Sammlung besteht aus Rallye-Fahrzeugen, welche, was in der Schweiz weniger bekannt ist, bei sportlichen Wettbewerben viele Rekorde und Preise einfuhren. Der ebenfalls gezeigte Citroën Helikopter beweist, dass nicht alle Entwicklungsansätze von Citroën auch mit kommerziellen Erfolg gekrönt wurden.

 


Die Rückreise in die Schweiz erfolgte auf der selben Route, allerdings mit etwas schwerer beladenem Bus, hatten doch etliche Teilnehmer den Aufenthalt in Paris genutzt um verschiedenes "Altmetall" einzukaufen. Bei schönem Wetter und baustellenfreier Autobahn ging die Fahrt zwar zügig vonstatten. Für die eingefleischten Autofahrer war es allerdings etwas demütigend, dass auf dem der Autobahn folgendem Bahntrassee sich in kurzen Abständen TGV-Züge folgten, die mit ihren 300 km/h zeigten, dass die Zukunft des Verkehrs wohl nicht allein auf der Strasse liegt.

Die Reisegruppe auf dem Rückweg in die Schweiz

Weitere Bilder vom Conservatoire

Am selben Tag sind offensichtlich noch mehr Besucher durchs Conservatoire geführt worden. Umfangreiche Bildersammlungen finden sich bereits auf dem Web. Hier der Hinweis auf eine Seite, welche eine repräsentative Sammlung von Bildern in guter Qualität enthält:

http://members.lycos.nl/citroenazu/newpage13.html