zurück
Ein Fragment aus der Tiefe
Operation am Anlasser
Beni Stumm
   

Tractions gelten im Allgemeinen als sehr zuverlässige Fahrzeuge, was mir kürzlich wieder ein erfahrener Tractionist versichert hat. Auch ich bin immer wieder beeindruckt, dass meine Traction nach mehrwöchigem Dornröschenschlaf nach benzingefülltem Filterschauglas auf den ersten Kick anspringt, und man sie nach einer ausgiebigen Ausfahrt ohne schlechtes Gewissen wieder unter die Haube stecken kann.
Kürzlich wurde nun aber mein derartiges Vertrauen zum ersten Mal etwas getrübt, als ich mit meiner Frau und den beiden Teenies nach einem ersten Frühlingsausflug vor dem Versorgen noch einen Tankstopp einlegte. Beim Versuch, das Motörchen danach wieder zu starten, gab’s nur ein herzzereissendes „Klack“ – und nichts ging mehr. Ich hatte schnell in Verdacht, dass das Ritzel des Anlassers auf dem Zahnkranz des Schwungrades stecken geblieben sein muss. Die Gänge liessen sich in gewohnter Manier durchschalten. Ich merkte schnell, dass da auch mit der Anlasserkurbel nicht viel auszurichten war. In der wagen Hoffnung, dass die Blockade sich lösen liesse, legte ich den dritten Gang ein und schaukelte ein wenig hin und her, aber nichts half – was auch gut war, wie sich später herausstellte.
Mein Schwager beendete diese fröhliche Sonntagsausfahrt schliesslich an seinem Anschlepphaken, und führte mich mit meinem Liebling durch unser Dorf und die gesamte Nachbarschaft vor. Ich werde es erklären können, dass ein Oldie eben solche Überraschungen stets auf Lager hat. Meine Teenies meinten nur tröstend: „....heut hat’s wenigstens mal etwas Action gegeben“.
Ich klemmte mich diesen Abend hinter meine Tractionbücher auf der Suche nach etwas Beruhigendem, denn ich wusste nicht, was mich beim entfernen des Anlassers erwarten würde.
Als ich am kommenden Tag die Traction auf den Lift nahm und vorsichtig den Anlasser herausziehen wollte, checkte ich, wie weit ich den Motor dafür anheben musste. In diesem Moment fiel deutlich hörbar ein Teil in die Kupplungsglocke (und ebenso mein Herz in die Hose). „Sch.....“. Ich wusste, dass mir dies noch einiges Kopfzerbrechen bereiten würde. Am Anlasser war der gesamte vordere Teil mit der Ritzelwellenbuchse völlig weggebrochen und liegt jetzt in der Tiefe der Maschine. Aluminium ist zwar ein fantastisches Metall, aber eben nicht, wenn man es um drei Ecken herum aus der Kupplungsglocke bergen sollte, denn es ist, wie bekannt, nicht magnetisch. Dani Eberli, sowie Albi Schorta, konnten mich bei allen Bemühungen am Telefon nicht beruhigen, und ich wusste, dass es für einen Fachmann wie den beiden keine grosse Sache wäre, den Motor auszubauen und das Getriebe abzutrennen. Zum einen stand das Auto aber in meiner Garage und zum andern nahte der ersehnte erste Clubausflug nach Kloten. Ich lies es für diesen Tag bei der Diagnose bewenden und hoffte auf eine göttliche Eingebung oder wenigstens eine gute Idee: „Das Teil muss raus – irgend wie – aber raus!“
Ein Kollege gab mir einen Tipp: Sauger, da würde es heute mobile Industriesauger geben, die kiloschwere Steinbrocken aus unwegsamem Gelände in den Rüssel saugen würden. So in der Art, nur darf es mir nicht die ganzen Kupplungsfedern miteinsaugen, so konstruierte ich einen kleinen Saugrüssel, den ich an meinem Allesschlucker andocken könnte – mit einem Y-Stück und zweiten Sauger Leistung verdoppeln – half alles nichts. Etwa 5o Gramm sind das absolute Maximum und dies nur, wenn ich eine flache Stelle erwische. Vergessen.
Ich erinnerte mich an eine kürzliche Fersehsendung über eine Magenoperation, wo sich der Chirurg auf ähnlich verschlungenen Pfaden durch den Magen durchwühlte, mit Okular, Licht und einem Werkzeugkanal, das wär’s. Ich muss sehen, wo genau das verflixte Teil liegt, damit ich es mit einem Greifer fassen kann. Und ich wusste, wo ich solch ein Werkzeug, natürlich speziell für den Maschinenbereich, besorgen kann.
Nun wollte ich am nächsten Tag endlich wissen, wo genau dieses Bruchstück liegt. Von unten demontierte ich das kleine Schutzblech zum Schwungrad und musste feststellen, dass der Zwischenraum von der Glocke zum Zahnkranz höchstens zwei Millimeter mass und dazu noch um die Schwungraddicke nach vorne versetzt absolut keinen direkten Einblick gewährte. Mit einer kleinen Glühbirne brachte ich erstmals Licht ins Dunkle, was eine weitere Erkenntnis brachte: Genau über der Kupplung, neben der Schaltachse verbarg sich ein kleines Abdeckblech unter dem aus einer kleinen Öffnung Licht austrat.
Wenn ich nun von unten mit einem kleinen Remaniumdraht, das abgebrochene Teil zur Seite schob, könnte ich es von oben, nach Entfernung der Schaltachse (gelber Pfeil) und dem Abdeckblech, mit einem zweiten langen Draht einhängen und nach oben ausfädeln.

Nun schöpfte ich immer mehr Hoffnung. Doch es vergingen noch fast drei Stunden, bis nach endlosen Versuchen, das Teil so zu platzieren und aufzurichten, dass ich es endlich einzuhängen vermochte und nach oben dirigierte, wo es meine geduldige Helferin über die Anlasseröffnung mit der Hand fassen, aushängen und endgültig aus der misslichen Lage befreien konnte.

Wir hatten es geschafft. Und es war – auch zur Beruhigung – nur ein einziges Stück herausgebrochen. Nun konnte nichts mehr passieren, wenn ich den Motor mit der Kurbel starte. Und er dankte es mir, indem er auf den ersten Kick anlief.
Wahrlich ein schwieriges Unterfangen – und gut ausgegangen – und zur Freude meiner Töchter: „Ächti Äggschen!“