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Antriebsschwäche oder das Kreuz mit den Wellen

Helge Torgersen

Schon lange wollte ich mich in diesem Rahmen einmal mit den Problemen des Antriebs beschäftigen, allein es fehlte mir selbiger. Der ist, wie der Name Traction ja schon sagt, offenbar das Charakterisitkum unseres gemeinsamen Objekts der Hassliebe, ähnlich wie der Rüssel beim Elefanten oder das Lächeln der Mona Lisa. Wenn es damit Probleme gibt, geht es sozusagen an die Substanz. Allerdings führen Mängel im Antrieb zum Schreiben und im Antrieb der Vorderräder zu ganz unterschiedlichen Effekten. Ersterer resultiert bloß in leeren Seiten, letzterer hingegen in leerem Konto und langen Garagenaufenthalten. Eigenartig ist allerdings, dass, wie mir einige Kollegen glaubhaft versicherten, Antriebsprobleme einerseits nicht selten seien, andere Six-Fahrer wiederum nur den Kopf schütteln und eher auf seelische als mechanische Schwächen tippen. Offenbar sind Antriebsprobleme individuell sehr unterschiedlich, wie auch der Wiener Sigmund Freud bereits vor über hundert Jahren erkannt hat, obwohl es damals noch gar keine Citroen-Wagen gab.
So unterschiedlich sie also sind, die meisten Schwierigkeiten lassen sich auf Verschleisserscheinungen zurückführen, und damit sind nicht Bandscheibenvorfälle gemeint, die einem das Schrauben verleiden. Meine Traction litt seit Längerem an Schütteln im Lenkrad beim Beschleunigen, vor allem aus der Kurve. Ein Wuchten der Räder half ebensowenig wie ein Austausch der Bremstrommeln. Ich war etwas enerviert denn wie gesagt, der Vorderradantrieb oder traction avant ist ja so etwas wie die Essenz dieser Autos. Ich habe mittlerweile aber gelernt, dass sich Antriebsprobleme nur durch Selbstdisziplin und Austausch sowohl mit anderen Six-Piloten als auch der Wellen überwinden lassen. Letztlich habe ich nach langem Probieren den Status quo ante wiederergestellt. Insofern war die Therapie also erfolgreich. Um das zu verstehen, muss ich etwas technisch werden.

Beim Vorderradantrieb muss man das praktische Problem lösen, Motorkraft – beim Six um die Hälfte mehr als beim Elfer – vom Getriebe zu den Vorderrädern zu bringen, die nicht nur (ab und zu) auf und ab federn, sondern auch noch (ein wenig) vor und zurück lenken. Zwar könnte man auch mit den Hinterrädern lenken, aber das sollte man besser Gabelstaplern überlassen, denn es fördert die Strassenlage nicht.
Der Winkel zwischen Rad und Getriebe ändert sich also dauernd und dazu noch in zwei Ebenen. Dazwischen ist irgendwo die Antriebswelle, die sich bemüht, es allen recht zu machen und dabei ein schweres Leben führt. Beim Elfer hat sie die Form einer Stange mit einem einfachen und einem Doppelkardangelenk zwischendurch.

ABBILDUNG 1: Antriebswelle des 11CV
Das radseitige Ende steckt mit einem Konus in der Bremstrommel, ein Keil verhindert das Durchdrehen. Letzteres tritt bloss bei demjenigen auf, der versucht, die Trommel von der Welle zu lösen. Nicht zuletzt diese Tatsache veranlasste die Konstrukteure bei Citroen, die Sache bei der Six zu ändern.
Wie bekannt, ist der Antriebsstrang einer Six, also Vorderrad-Aufhängung, Getriebe (siehe vorige Beiträge) und Antriebswellen deutlich anders konstruiert als der einer 11CV.
ABBILDUNG 2: Antriebswelle des 15CV
Was nun die Wellen betrifft, so enthalten sie bei der Six ein Element, das auf den Namen Bibax hört. Der Name ist (wie der Terminus Bibendum) Lateinisch und heißt Säufer. Es handelt sich dabei um eine Art 2-Liter-Konservendose, die aber nicht mit Champignons oder Rumtopf gefüllt ist, sondern mit Gummi. Das ist zwar unbekömmlich, aber in diesem Fall macht das nichts, denn der Inhalt ist nicht zum Verzehr bestimmt. Vielmehr soll er dämpfen. Der Säufer-Dämpfer ist aber nun keine Vorrichtung zur Begrenzung ungebührlicher Alkoholaufnahme des Fahrers, obwohl das sicher hochinnovativ und bei einem französischen Auto vermutlich auch sinnvoll gewesen wäre, sondern soll wohl nur darauf hinweisen, dass hier Vibrationen in großem Maßstab verschluckt werden.
ABBILDUNG 3: Der Bibax-Dämpfer in der Antriebswelle
Was da gedämpft werden soll, ist also nicht der Antrieb des Fahrers, sondern das Zittern. Offenbar ergab sich dieses im Verlauf der ersten Tests des neuen Modells 15/6 nicht nur bei den Ingenieuren (ich nehme mal an, es kam von der atemberaubenden Beschleunigung und nicht vom Mangel an Intoxikation), sondern auch in der Vorderachse. Abhilfe sollte also dieser Gummitopf bringen, der im Antriebsstrang zwischen dem Wellenflansch, der mit einem einfachen Kardangelenk aus dem Getriebe austritt, und dem Teil, der zum Rad führt, zu liegen kam. Die Kraftübertragung erfolgte dabei über ein Schiebestück zum Längenausgleich beim Lenken, dessen getriebeseitiger Teil nichts anderes als das etwas verdickte Wellenstück-Ende war, das aus dem Getriebe ragte und auf das Längsriefen aufgefräst waren. In der Gummi-Konservendose wiederum steckte eine kleinere Büchse, die ebenfalls passende Längsriefen aufwies, in die diejenigen des Wellenstück-Endes eingriffen. Diese Büchse war in den Gummi einvulkanisiert, der den Rest der grossen Konservendose ausfüllte.
ABBILDUNG 4: Der Bibax im Querschnitt
Das Flansch-Ende steckte nun verschieblich und mit viel Fett versehen in der kleineren Büchse, nur mit einem blechernen Schraubverschluss mit einer passenden Ausnehmung gesichert. Zwischen dem Verschluss und dem oberen Ende der Riefen gab es noch einen gezähnten blechernen Ring und eine dünne Filzdichtung. Das andere Ende der Konservenbüchse trug eine Art Rüssel (nichts Elefantenhaftes allerdings), der mit einer Scheibe im Durchmesser der Büchse begann und sich dann verjüngte. An der Büchse war die Scheibe mit sechs Schrauben und zwei Zentrierstiften befestigt, am anderen, dünnen Ende ging der Rüssel in das Doppel-Kardangelenk und den Wellenflansch für das Antriebsrad über. Dieses steckte in der Bremstrommel, aber nicht mit einem Konus, sondern mit einem verzahnten Zylinder, der am Ende ein Gewinde trug, so dass die Welle auf der Bremstrommel mittels einer großen Mutter festgeschraubt werden konnte.
ABBILDUNG 5: Querschnitt durch Bremstrommel
Wenn man die Welle ausbauen will, muss man also diese Mutter lösen. Sinnigerweise ist das Gewinde auf einer Seite linksgängig, damit die Mutter sich durch die Antriebskräfte nicht von selber losschraubt. Beim Lösen muss man also scharf nachdenken, welche Seite linksrum und welche rechtsrum aufgeht. Wer jemals den Film „Clockwise“ mit John Cleese gesehen hat, kann sich vorstellen, zu welchen Effekten das führt.
Warum das Bureau d’Etudes auf die Lösung mit der Konservenbüchse verfiel ist nicht überliefert, aber es schien damals State of the Art gewesen zu sein, jedenfalls hat sich niemand aufgeregt und die Konstruktion wurde sogar in zeitgenössischen Berichten als besonderer technischer Leckerbissen hervorgehoben.
ABBILDUNG 6: Der 15CV Antriebsstrang mit Bibax
Dieser Leckerbissen enthält jedoch im Verschleißfall, das heißt für uns heute immer, allerlei fröhliche Vibrationsquellen. Da ist zunächst die Sache mit dem Kardangelenk. Dieses heißt zwar so, aber Giordano Cardano hat bloß eine Aufhängung für empfindliche Geräte wie Lampen, Kompasse oder später Chronometer erfunden, die auf einemSchiff trotz Seegangs immer in der Waagrechten gehalten werden sollten, weil sie sonst nicht funktionierten. Für den Zweck, für den sie gedacht war, macht die Aufhängung in zwei um 90 Grad versetzten Ebenen auch heute noch Sinn. Die Sache mit der Kraftübertragung um die Ecke über Kreuzgelenke hingegen hat er nicht vorausgesehen, daher soll man ihm auch nachträglich keinen Vorwurf machen. Dieser Einfall geht angeblich auf Robert Hooke zurück, der mit dem berühmten Gesetz von der Federkraft übrigens (wer erinnert sich an die Sekundarstufe?), und das war bereits im 17. Jahrhundert. Eigentlich sollten sie also Hooke-Gelenke heißen, aber das würde wohl darauf hinweisen, dass sie notorisch haken, wenn sie zu stark abgewinkelt werden. Außerdem klingt Kardan viel teurer.
Leider wissen wir heute, dass Kreuzgelenke zur Kraftübertragung in einer Antriebswelle von Natur aus Notlösungen sind, da nützt auch ein prominenter Name wie Hooke nichts. Auch wenn das damals revolutionär gewesen sein mag, ebenso wie 1934 die Angelegenheit mit dem Traction Avant. Der brave Mister Hooke konnte allerdings ebensowenig voraussehen wie Signore Cardano, dass man pferdelosen Kutschen mit so etwas Beine machen würde. Bei genauerer Betrachtung relativiert sich also das Revolutionäre am Traction Avant auf die konsequente Anwendung von Notlösungen, die im Einzelnen so neu nicht waren. Es ist vielmehr wie beim Cocktail: Die Kombination machts! Und wenn man weiß, dasss mit jedem neuen Element die Zahl der Kombinationsmöglichkeiten förmlich explodiert, kann man auch verstehen, dass die ersten Kunden, die es wagten, ein solch neuartiges Ding zu erstehen, zu Versuchskaninchen des Werks wurden. Der Slogan „der Weg ist das Ziel“ erhält unter diesem Gesichtspunkt eine ganz neue Bedeutung. Seien wir daher froh, dass Citroen Autos und keine Kopfwehtabletten herstellte.
Vielleicht haben die Citroen-Techniker die Analogie mit dem Cocktail aber etwas zu weit getrieben und die Maxime „shaken not stirred“ zu wörtlich genommen. Denn Kardan-, pardon, Kreuzgelenke sind beachtliche Schüttler (während wir heute dazu tendieren, angesichts dieser Konstruktion eher gerührt zu sein.)
Man braucht ein wenig physikalisches Verständnis, will man begreifen wie es zu diesem Schütteln kommt, und vor allem auch, wieso in der Theorie drei Gelenke (eines getriebeseitig, zwei radseitig) problematisch sind.
Kardangelenke (lassen wir es bei der Bezeichnung, Signore Cardano wird es uns verzeihen) haben nämlich die Eigenschaft, die Kraft zwar um die Kurve zu lenken, das aber holprig. Grund dafür ist etwas, das sich Winkelgeschwindigkeit nennt, immer gleich bleiben soll und am besten auch in Physik-Lehrbüchern der Sekundarstufe nachzulesen ist. Solange alles schön gerade bleibt, fällt diese Winkelgeschwindigkeit nicht weiter negativ auf, aber wehe es geht in die Kurve und das Gelenk biegt sich, wofür die ganze Angelegenheit ja eigentlich gedacht ist. Dann tritt ein seltsamer Effekt auf, der mithilfe von Winkelfunktionen zu berechnen ist, was ich aber hier lieber nicht versuchen will (wer es genau wissen will, kann im folgenden Dokument nachschauen:

Das Gleichlauf-Kugelgelenk von Helmut Stachel, TU Wien (Pdf-Dokument)

Veranschaulich lässt es sich vielleicht so: Der theoretische Querschnitt des Gelenks verringert sich genau dann, wenn die Biegeebene nicht parallel zu einer der beiden Kreuzebenen steht. Das merkt man daran, dass nicht nur eine Achse des Kreuzes, sondern beide ein bisschen abgewinkelt sind (die Sache also nicht als aufrechtes Kreuz, sondern als X oder Andreaskreuz wie am Bahnübergang erscheint). Er vergrößert sich hingegen auf die volle Länge zweier Kreuzschenkel, also den realen Durchmesser der ganzen Angelegenheit, wenn die Biegeebene zu einer Kreuzebene parallel steht, d.h. nur eine Kreuzachse abgewinkelt ist, das Kreuz also aufrecht steht. Wenn sich aber der Durchmesser verändert, bedeutet das, dass sich auch der theoretische Umfang verändert. Ein Punkt im Umfang muss demnach einmal einen längeren, dann wieder kürzeren Weg in der gleichen Zeit zurücklegen. Dazu kommt, dass die Flanken des Kardangelenks viel breiter als der Wellenschaft sind, der Effekt also noch verstärkt wird.
Das klingt jetzt furchtbar theoretisch, und eigentlich wollte ich das ja veranschaulichen, aber mir fällt auf, dass das Ganze eher verwirrend ist. Genauso verwirrend muss das für einen beliebigen Punkt im theoretischen Umfang sein, der mal hier, mal dort herumsausen muss und sich nicht mehr auskennt. Aus Rache dreht sich die Welle alle Vierteldrehung einmal etwas schneller, dann wieder langsamer. Mit anderen Worten die Winkelgeschwindigkeit verändert sich dauernd und liefert sich einen Kampf mit Motor und Rad, die verständlicherweise beide nicht alle Vierteldrehung unterschiedlich schnell drehen wollen, obwohl sie ansonsten durchaus entgegengesetzte Interessen haben.
Tatsächlich wächst und schrumpft das Kardangelenk natürlich nicht wirklich beim Drehen, sondern die Ansatzpunkte der Kräfte verändern sich bloß. Man kann es sich aber einfachher machen und zur Verdeutlichung ein gleichschenkliges Kreuz zur Hand nehmen, also kein Kruzifix, sondern einen vierflügeligen Propeller, und es zwischen Daumen und Zeigefinger drehend über den Tisch bewegen. Wenn das Kreuz aufrecht steht, ist der Durchmesser in der Senkrechten größer als wenn das Kreuz liegt. Oder noch anders: Man verbinde die jeweiligen Außenpunkte der Kreuzschenkel in Gedanken mit einem Faden. Was dabei heraus kommt, ist mitnichten ein Kreis, sondern ein Quadrat. Wenn man das statt einem Rad am Auto montiert, kriegen die Passagiere Schluckauf.
Das kann natürlich nicht gutgehen. Kein vernünftiger Ingenieur würde ein solches Rad konstruieren, denn das würde jede Federung überfordern und die Insassen würden sich schön bedanken. Beim Kardangelenk geht das aber nicht anders, und der Motor kann, im Gegensatz zu den Insassen, schlecht aussteigen. Es gibt allerdings einen Ausweg: Man füge noch möglichst viele weitere Ebenen und damit „Kreuz“-Schenkel hinzu, um die sich die beiden Wellenenden biegen können. Dazu muss man die Kreuze durch kleine Kuglen ersetzen, die sich in Riefen im Inneren einer Hohlkugel vor und zurück bewegen können, während sich die Hohlkugel mit der Welle dreht und die beiden Enden miteinander verbindet. Das gibt es tatsächlich und heißt Rzeppa, ist aber technisch etwas mühsam, weil es dauernd geschmiert sein will, man aber nicht drankommt.
ABBILDUNG 7: Homokinetische Verbindung mit Kugelgelenk

1934 war aber auch das bereits erfunden und Citroen experimentierte sogar damit, d.h. baute es serinemäßig ein. Nach furchtbaren Problemen beließ man es aber dann reumütig bei der Notlösung mit zwei Ebenen und hoffte das Beste. Der Effekt sind Vibrationen. Nun hat das Bureau d’Etudes der Winkelgeschwindigkeit einen Streich gespielt und an der Radseite zwei gleiche Kardangelenke um 90 Grad versetzt hintereinander montiert, eben den Doppelkardan. Genau genommen kommt da nicht von Citroen, sondern von der Firma Glaenzer; die Idee ist brilliant, hat aber nichts mit Bohnerwachs zu tun. Sinn des Ganzen ist, die Ungleichmässigkeiten in der Drehgeschwindigkeit des einen Gelenks mit genauso grossen Ungleichmässigkeiten des anderen zu kompensieren. Mit anderen Worten, man trieb den Teufel mit dem Beelzebub aus, wobei das kurze Stück der Welle zwischen den beiden Gelenken kräftig vibrierte, Rad und Motor davon aber nichts merken sollten. Wenn alles gut geht.
Leider braucht man bei einer Antriebswelle aber mehrere Stellen, wo sich diese biegen kann. Zwar tritt der größte Biegebedarf nahe am Antriebsrad auf, aber auch beim Getriebeausgang braucht man ein Gelenk, weil das Auto ja auch so etwas wie eine Federung haben soll (obwohl das bei einer Traction der Vor-Hydraulique-Ära nicht ganz offensichtlich ist). Der Biegebedarf ist dort aber nicht so gross, daher meinte man, mit einem einfachen Kardangelenk auskommen zu können .... Der geneigte Leser weiss nun bereits, dass das nicht funktionieren kann, weil die Theorie dagegen spricht. Das getriebeseitige Kardangelenk ist also theoretisch hoch verdächtig, Vibrationen auszulösen, erstaunlicher Weise geht man aber mit dieser Vermutung kräftig in die Irre, denn sonst würde dieser Effekt ja bereits bei einem fabriksneuen Auto aufgetreten sein. Ist er aber nicht. Was ist schon Theorie bei einem Citroen!
Kardangelenke sind, wie gesagt, Kreuzgelenke, enthalten also kleine Kreuze, die bei näherer Betrachtung völlig ungeeignet erscheinen, die beträchtlichen Antriebskräfte zu übertragen. Wieder falsch, sie sind es, aber nicht lange. Dann beginnen die Lager, in denen die Kreuzenden stecken, der Gewalt zu weichen und bekommen Spiel. Der Effekt ist nicht nur, dass die radseitigen Gelenke nicht mehr genau 90 Grad versetzt sind, sondern dass die ganze Chose überhaupt zu wackeln beginnt, wenn die Kräfte zu groß werden. Vibrationen treten unter großer Last und hohem Winkel besonders dann auf, wenn zufälligerweise eine Frequenz erreicht wird, die der Eigenschwingung der Wellen entspricht. Das Resultat ist Schütteln in der Lenkung, insbesondere beim Beschleunigen in der Kurve. Wenn es ganz schlimm wird, bemerkt man beim Kurvenfahren ein rhythmisches Klappern.
Abhilfe kann nur eine Revision der Wellen schaffen, sprich ein Austausch der Kreuze. Allerdings ist das einfacher gesagt als getan. Beim getriebeseitigen Einfachgelenk mag es noch angehen, und manchmal sind Betriebe, die professionell Kardanwellen reparieren, dazu in der Lage, vorausgesetzt, man treibt ein passendes Kreuz auf – die Dimension ist nämlich ebenso vergriffen wie eine Dostojewski-Erstausgabe. Damit wird die Suche nach einem Kreuz ein solches. Es gibt zwar Nachfertigungen, die sind aber von zuweilen äußerst zweifelhafter Qualität und halten gerade solange, bis man vergessen hat, wer sie einem verkauft hatte.
Schwieriger wird die Sache, wenn eines der radseitigen Doppelgelenke Luft hat. Um ein solches zu überholen, müssen beide Gelenke auseinander genommen werden. Dazwischen befindet sich eine Art Kugel, die die Schubkräfte aufnehmen soll – so hat man mir das einmal erklärt. Diese Kugel muss ebenso abgezogen werden, und dazu braucht man logischerweise einen speziellen Kugelabzieher. So etwas gibt es natürlich nicht beim nächsten Baumarkt, und selbst Fachwerkstätten haben das meist nicht. Damit ist die Chance, eine Antriebswelle bei einem Fachbetrieb überholen zu lassen, äußerst gering, selbst wenn man deren Apothekerpreise akzeptieren würde. Darüber hinaus müsste eine Welle nach der Revision genauestens ausgewuchtet werden, was die meisten Betriebe überfordert.
Aber auch wenn die Kreuze intakt sind und kein Spiel haben, ist das keine Garantie für ungeschütteltes Beschleunigen. Die Verzahnungen der Schiebestücke haben nämlich die vertrackte Eigenschaft, sich mit der Zeit erheblich abzunützen, vor allem dann, wenn der Fettvorrat nach einem halben Jahrhundert aufgebraucht ist, bloß merkt man das viel weniger leicht. Man muss schon bei ausgebauten Wellen die Bibaxe und die Wellen-Endstücke mit Gewalt gegeneinander verdrehen, um durch leises Schmatzen (der Wellen natürlich) draufzukommen, dass dazwischen ungebührliche Luft ihr Unwesen treibt. Bei meinen Wellen war dies zumindest auf einer Seite in erheblichem Maße der Fall – dort grunzte es.
Was also tun? Zum Glück gibt es Etablissements, die gegen entsprechendes Entgelt moderne Antriebswellen aus gegenwärtiger Produktion (wie man hört, Audi) so adaptieren, dass sie in eine Six passen. Der Clou dabei ist, dass diese Wellen keine Kreuze haben, sondern Kugelgelenke. Der Leser weiß bereits, dass es sich hierbei um den kreisrunden Idealfall handelt, und diese Anordnung verzichtet folgerichtig auf die Stotterfunktion der Kardangelenke alle Vierteldrehung und die Winkelgeschwindigkeit kann sich brausen gehen. Gemeinhin spricht man von homokinetischen oder Gleichlauf-Gelenken, obwohl die dopppelten Kardane ja eigentlich auch den Gleichlauf garantieren sollten, indem sie versetzt stottern und daher sozusagen brutto „homokinetisch“ sind. Allerdings dauert das Homokinetische manchmal nicht allzu lang, vor allem dann, wenn man sie nicht regelmäßig abschmiert (die neuen Wellen haben auch keine Schmiernippel mehr).
Wellen mit Kugelgelenken sind nicht neu; sie waren, wie erwähnt, in der Frühzeit der Traction am 7A montiert worden, funktionierten aber irgendwie nicht recht, wie so vieles an diesem Modell, sondern gingen manchmal angeblich bereits beim Abholen des neuen Autos nach den ersten Kurven kaputt. Das förderte natürlich kaum das Vertrauen zwischen Produzent und Konsument, und Citroen kehrte reumütig zum doppelstotternden Kardangelenk zurück. Die Standfestigkeit solcher theoretischen Idealgelenke hat sich heute offenbar gebessert, jedenfalls was Audis angeht. Und was denen recht ist, sollte der Traction billig sein. Mit folgendem Link gelangt man auf die Seite von Marcus Lasance, mit Bildern seiner englischen 15CV , welche er mit den neuen Wellen ausgerüstet hat:

http://www.traction-avant.co.uk/Kimball_Six/assembly/mechanical%20work.htm

Ganz so billig wars dann doch nicht, aber ich bestellte, wie viele andere auch, trotzdem ein Paar dieser Wellen, um endlich Ruhe zu haben, und montierte sie frohgemut. Sie enthielten auch die unförmigen Konservendosen von Bibax nicht mehr, die wohl auch Quellen der Unwucht waren, sondern kamen mit ganz zarten Schiebestücken daher, ähnlich wie die Wellen vom 11CV. Das bedeutete allerdings, dass die Montage komplizierter war, denn die bibaxhaltigen Wellen ließen sich ja in der Mitte (beim Bibax eben) mittels der sechs Schrauben und zwei Zentrierstifte teilen, die neuen nicht. Das bedeutete, dass man die Radaufhängungen oben aufschrauben und die Radträger nach unten klappen musste, um die Wellen in die Trommeln einzufädeln. Als das nach einigen Versuchen gelungen war und auch die Wellen nach etlichen vergeblichen Bemühungen, linksgewindige Muttern auf rechtsgewindige Schraubenden aufzudrehen festsaßen, zeigte eine Probefahrt, dass tatsächlich beim Beschleunigen insbesondere in Kurven keinerlei Vibrationen mehr auftraten.
Dafür beim Anfahren. Das Auto schüttelte sich derart, dass die Scheinwerfer sich entsetzt abwendeten. Wer je Kupplungsrupfen bei einer Traction erlebt hat kennt den Effekt: Man hat den Eindruck, der Wagen zerlegt sich auf der Stelle in sämtliche Einzelteile und es bleibt noch genügend Energie übrig, um diese Teile der Größe nach sortiert auf den Asphalt zu legen. So ging es also nicht.
Auf Nachfrage beim Wellenlieferanten hieß es, dass so etwas schon mal vorkommen könnte. Abhilfe sollte eine gefederte Kupplungsscheibe schaffen, wie sie im 11CV verwendet wird. Immerhin gibt es ja die Bibaxe nicht mehr, die eine dämpfende Wirkung haben. Eine solche war auch äußerst nötig, zumindest für meinen Gemütszustand. Ich erstand also eine solche Wunderscheibe, um beim versuchten Einbau festzustellen, dass ich bis dahin mit einer Zweischeibenkupplung gefahren war, deren Scheiben eine völlig andere Dimension hatten. Da diese nicht gefedert erhältlich waren, hieß es, die gesamte Kupplung gegen eine etwas modernere Einscheibenvariante zu tauschen, was wiederum einen Wechsel der Schwungscheibe bedeutete. Langsam begann die Sache mit den Wellen ebensolche zu schlagen.
Mit neuer Kupplung samt Hoffnung konnte ich wieder anfahren, jedenfalls mit wenig Gas. Ich freute mich, bis ich vorwärts in die Garage fuhr und daher notwendigerweise rückwärts wieder heraus musste, weil die Tür auf der Rückseite zu schmal gewesen wäre und außerdem bloß in den Garten führte.
Noch heute wundere ich mich, dass bei diesem Versuch die Teile des Autos nicht der Größe nach sortiert auf dem Garagenboden lagen. Einkuppeln war nur mit Standgas möglich. Wie ich einmal rückwärts aus einer Parklücke auf einer abschüssigen Straße hätte heraus fahren müssen, musste ich warten, bis der Vordermann weg war und ich vorwärts ausparken konnte. Bei näherer Betrachtung zeigte sich, dass sich der Motor trotz seiner 300 kg beim rückwärts Anfahren in den hinteren Aufhängungen hob und wieder hinunterfiel. Ich versuchte es mit Bügeln, die ihn davon abhalten sollten, mit geringem Effekt. Das Hüpfen gefiel ihm offensichtlich.
So ging es also auch nicht. Ich probierte unterschiedliche Kupplungsscheiben, darunter eine alte, ganz originale (es hätte ja am modernen Belag liegen können), eine zufällig herumliegende von einem HY (was bei mir so alles herumliegt – diese unterscheidet sich in der Dicke der Nabe und daher in der Mühe, sie ins Gehäuse zu quetschen, aber auch in der Länge der Führung durch die Welle), das machte aber kaum einen Unterschied. Ich besorgte mir eine ganz originale Kupplung, denn die jenige, die ich nun eingebaut hatte, schien von einer ID zu stammen, ohne dass sich irgendetwas änderte. Ich bastelte mir ein Kupplungseinstellungsgerät nach der Abbildung in der offiziellen Reparaturanleitung und stellte die Kupplung genauestens ein, ohne spürbaren Erfolg. Da jeder Versuch ja überprüft werden musste, was nur im Fahren geht, lernte ich allerdings dabei den Kupplungsaus- und einbau in Rekordzeit. Dummerweise muss man dazu immer den Kühler entfernen, was unweigerlich zu nassen Socken führt; besonders im Winter ist das recht schnupfenfördernd.
Ich besprach mein Unglück, sofern meine verstopfte Nase dies zuließ, mit mehreren Eignern anderer Sixe und etlichen Werkstätteninhabern, darunter auch dem Lieferanten der homokinetischen Wellen, der natürlich so etwas noch nie vernommen hatte und beteuerte, bei allen anderen würde die Modifikation problemlos funktionieren. Ich glaubte ihm natürlich, allerdings sind mir zumindest drei andere Sixe bekannt, bei denen es auch nicht klappt, vornehmlich in Österreich und der Schweiz. Vermutlich liegt es an den Bergen. Andere Sixe hingegen laufen problemlos mit den neuen Wellen, vorausgesetzt sie besitzen eine gefederte Elfer-Kupplungsscheibe. Meine Six gehörte natürlich zur ersten Sorte.
Schließlich gab ich auf, suchte die besten Schiebestücke und Wellenteile, die ich auftreiben konnte, ließ die getriebeseitigen Gelenke überholen und baute die alten Kardanwellen mit den Bibaxen ein. Siehe da, das Anfahren gelang auf Anhieb auch im Rückwärtsgang. Lediglich beim scharfen Beschleunigen insbesondere in Kurven ... Aber immer noch besser als beim Bergabfahren in einer Spitzkehre hängen zu bleiben und weder vor noch zurück zu können. Es liegt doch an den Bergen.
Offenbar hat sich das bureau d`études etwas dabei gedacht, als es auf die Konservendosenlösung verfiel. Das ist Wasser auf die Mühlen derjenigen, die für Originalität plädieren und gern jenen berühmten Brief von Herrn Boulanger zitieren, den Dani Eberli jüngst vorgestellt hat. Darin hieß es ja, dass an einem Citroen keine Verbesserungen denkmöglich sind, die das Werk nicht schon geprüft hätte, und alle Veränderungen durchaus nur zum Nachteil gereichen. Was das Weglassen von Bibaxen angeht, würde ich Herrn Boulanger zustimmen. Bei anderen Dingen wäre ich mir nicht so ganz sicher; zum Beispiel hielte ich eine dichte Lüftungsklappe für durchaus denkmöglich ... Bei anderen Modifikationen bin ich inzwischen aber etwas vorsichtig geworden. So hat sich auch der Einbau eines „längeren“ Differentials (9x31 statt 8x31) bei mir durchaus nicht segensreich ausgewirkt, aber davon ein andermal.

P.S.: Bei meinen Gesprächen konsultierte ich übrigens auch Roger Williams von Steam Car Developments in England, der auf seiner Website neue Wellen für die Six anbietet, die radseitig mit haltbaren homokinetischen Kugelgelenken und getriebeseitig mit neuen Schiebestücken samt modernen Kardanen ausgestattet sind, aber auch mit Bibaxdämpfern. Offenbar ist das genau die Variante, die langfristig eine Lösung verspricht. Lagernd hat er keine mehr, würde aber, sofern sich genügend Interessenten fänden (etwa 10), eine kleine Serie anfertigen. Wer außer mir hätte Interesse?

Bitte Mail an: torg@oeaw.ac.at

Quellen:

Abb.1: Vorderradaufhängung und Antriebswelle 11 CV, ebd., Latest Popular Citroens, , Autocar Aug. 19, 1938, p. 40
Abb. 2: Vorderradaufhängung komplett 15/6, ebd., Citroen Six Now Here, Autocar Aug. 18, 1939, p. 55
Abb. 3: Vorderradaufhängung und Antriebswelle mit Bibax-Dämpfer 15/6, 1949 Cars – Citroen, Motor Aug. 15, 1939, in: Citroen Traction Avant Gold Protfolio 1934-1957, Brooklands books, Cobham, Surrey, England, p. 50
Abb. 4: Bibax-Dämpfer mit Schiebestück, ebd., Front-Whee-Drive citroens – in Two sizes, Motor, Sept. 29, 1948, p. 85
Abb. 5: Radaufhängung vorne 15/6, ebd., p.139
Abb. 6: Ansicht Vorderradaufhängung 15/6, ebd, dt.
Abb. 7: homokinetische Kugelgelenkwellen der ersten Traction Avant, Catalogue Citroen 1937, in: F. Sabatès, Citroen Traction Avant 1934-1957 vue par la presse, Collection Auto Archives N. 3, toome 1: 1934-1939, p. 66