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Revision eines Tractiongetriebes
Rudolf Weber

Es ist über dreissig Jahre her - an das genaue Datum kann ich mich nicht mehr erinnern - als nach Ueberwinden des Brünigpasses, bei der Einfahrt in Brienz, ein sehr hässliches Geräusch aus meinem Motorraum in die Kabine drang. Sofort nahm ich das Gas zurück und liess ausrollen. Doch ein holperndes Knacken zeigte mir an, dass etwas gar nicht gut sein konnte. Nach dem ich am rechten Strassenrand angehalten hatte, öffnete ich die Motorhaube. Im in der dunklen Tiefe des schmutzigen und verölten Motorraumes liess sich nichts Aussergewöhnliches ausmachen. Ein vorsichtiger Fahrversucht zeigte, dass das Fahrzeug noch zu bewegen war, die dabei erzeugten Geräusche und ein seltsames Rucken liessen aber kalten Schauer meinen Rücken hinauf- und hinunterwander. Es dämmerte mir - das musste ein Getriebeschaden sein.

Mit dem Fahrzeug, einer 1955er 11B, hatte ich erstmals 1971 Kontakt, als meine Schwester heiratete. Sie wurde in einer Traction Avant zum Traualtar geführt, dessen Fahrer ein Freund meines künftigen Schwagers war. Das Fahrzeug beeindruckte mich dermassen, dass ich den Chauffeur bat, mich zu informieren, wenn er sich dereinst vom Wagen zu trennen gedenken würde. Durch einen pekuniärer Engpass seines Besitzers bedingt, wurde mir bald darauf, das Auto viel früher als erwartet angeboten - ich war nämlich noch gar nicht im Besitz eines Führerausweises.

 

Das Originalgetriebe - nach 3o Jahren Dämmerschlaf

Trotzdem erfüllte ich mir den Wunsch, zumal der Besitzer mit einer längeren Abzahlungsmodalität einverstanden war. Mit dem "L" am Wagen und meinem Cousin als Beifahrer genoss ich nun meine Traction - nur ging der Genuss nicht auf Gegenseitigkeit. Von sorgsamen Schalten konnte natürlich nicht die Rede sein. Und ein Gangsterauto meinte ich wie ein Gangster fahren zu müssen.

Ohne Garage an der Kälte und mit einer leicht korrodierten Verkabelung war das Starten keine Selbstverständlichkeit. Zum Glück wohnte ich auf einer Anhöhe und konnte deshalb den Wagen anrollen lassen - etwas das eigentlich auf der Tabu-Liste der Traction steht. Kein Wunder also, dass ich einige Zeit später die Fahrprüfung schaffte, es aber ebenfalls schaffte, das Getriebe zu zerstören. Leider gab es zu jener Zeit weder den CTAC noch Clubgaragisten. Die offiziellen Citroengaragen rümpften die Nase, wenn man mit der alten Tante aufkreuzte oder verlangten Preise, welche mein Taschengeld deutlich überstiegen.

Nicht nur Zahnausfall sondern auch Rost

Zum Glück hatte der ehemalige Besitzer Verbindungen nach Frankreich und konnte mir - ab südfranzösischem Abruch - ein Ersatzgetriebe organisieren. Dieses bauten mein Cousin und ich in Brienz im Freien in das Auto ein - worin es bis heute klaglos seinen Dienst verrichtet.

Die defekte Einheit hab ich seit dem bei jedem Wohnungswechsel mitgezügelt - eine zeitlang behauste sie eine nicht mehr benutzte Badewanne - natürlich ohne Wasser.
Oft ist mir durch den Kopf gegangen, dass ich bei einem erneuten Getriebeschaden zwar einen Ersatz zu Hand hätte, dieser aber zuerst repariert werden müsste. Wäre es nicht klüger, das Getriebe auf Vorrat zu revidieren um bei einem Schaden den Austausch in kürzester Zeit bewerkstelligen zu können?Gesagt und erst nach 30 Jahren getan!

Die Werkstatt des Getriebespezialisten

Bei einem Gespräch mit Albi Schorta letzten Sommer erfuhr ich, dass es heute ausgezeichnete Betriebe gibt, die solche Arbeiten äusserst professionell durchführen. Selbst das Getriebe zu zerlegen sei allerdings nicht empfehlenswert, meinte Albi, da dem Getriebeprofi sonst wichtige Informationen fehlten, welche sich beim Ausbau zeigten.

Immerhin öffnete ich den Deckel - vielleicht war ja der Inhalt in der Zwischenzeit total verrostet, so dass sich eine Investition nicht mehr lohnen würde. Ebenfalls wollte ich doch endlich wissen, was damals schief gegangen war. Immer wieder mutmassten Tractionisten, dass sicher die Verzahnung zwischen Pignon und Tellerrad Schaden genommen hätte - was eben die Folge des Anrollenlassens sei. Zu meinem Erstaunen erwies sich diese Prognose als falsch. Das 2.-Gangrad wies eine kariöse Stelle auf und dem in dieses Rad eingreifende Gegenstück fehlten ebenfalls einige Zähne.

Alt und neu - deutlich sichtbar die abgebrochenen Zähne

In diesem Zustand überliess ich das defekte Stück Albi Schorta, welcher es Alois Peter überbrachte. Dieser Getriebespezialist, wohnt hinter der Thuner Allmend und betreibt in seinem Kellergeschoss eine professionelle Getriebewerkstatt. Beruflich arbeitet er als Zahnradspezialist und stellt unter anderem Getriebe für Windkraftwerke her.

Alois Peter ist mit der Traction auf Du - natürlich besitzt er selbst eine - und hat sich auf dieses geniale aber etwas heikle Getriebe spezialisiert. Bekanntlich ist die Getriebeeinheit eine der wenigen Schwachstellen des Traction Avants und Alois Peter hat sich der Herausforderung gestellt, diese Schwächen zu beseitigen. Dazu hat er ein verbessertes 2.-Gang-Zahnrad entwickelt, welches er bei der Walter Grell AG herstellen lässt. Ebenfalls kommt die legendäre Jack Weaver Verstärkung zum Einsatz, welche die Belastung beim Anrollen oder Anschleppen weitgehend abfängt.

Alois Peter bei der Arbeit

Diese Arbeiten sind verständlicherweise nicht über Nacht erledigt - aber nach 30 Jahren spielen ein paar Wochen mehr oder weniger keine Rolle mehr. Ein Besuch in der "Zahnradklinik" lohnt sich. Geduldig erklärt Alois Peter dem Laien jeden Schritt, welchen er vornimmt und natürlich auch die genaue Funktion des Getriebes, welches für technische Banausen nicht ganz einfach zu verstehen ist.

Ebenso hat man die Gelegenheit im Detail die Schäden zu begutachten. Bei mir waren nicht nur die abgebrochenen Zähne sondern auch abgenützte Lager und Roststellen, welche die Revsion nötig machten.

 

Fertig montiert und frisches Getriebeöl eingefüllt
 

In der Zwischenzeit ist das neue alte Getriebe wieder in meine Garage eingezogen und man kann ohne Uebertreibung sagen, dass es besser als fabrikneu ist. Ich widerstehe aber der Versuchung, es sofort einzubauen. Es kommt, sorgsam geschützt, wieder an Lager um bei einer Getriebepanne zum Einsatz bereit zu sein.

 

Besser als neu - das Getriebe vor der Auslieferung