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 Oldtimer für den Winter

Photoapparate aus der Zeit unserer alten Auto

1. Teil: Box Kameras

Bericht und Fotos: Daniel Eberli

Samstagnachmittag 10. Januar. Draussen weigert sich das Thermometer, über minus 5.5 Grad zu klettern. In der Garage wartet mein AC4 aufgebockt, bis ich das Rohmaterial bekomme, damit ich neue Bronzebüchsen drehen kann, um die ausgeschlagenen Lager der Blattfedern zu ersetzen. – Eine gute Übung an der Drehbank, aber zur Zeit bin ich froh, dass mir das Material fehlt, denn auch in der Garage ist die Temperatur kaum über der Null-Grad-Marke.

Im Zimmerofen hinter meinem Rücken knistert ein gemütliches Feuer und entschädigt mich für die Arbeit zum Sägen und Spalten von Brennholz vom Vormittag. Ideale Voraussetzungen also, um sich um ein Wohnzimmer-Hobby zu kümmern.

Bekanntlich interessiere ich mich für viele Maschinen und Geräte aus alter Zeit, und glücklicherweise ist meine Ehefrau auch nicht ganz immun gegen solche Sachen. So haben sich – neben alten Grammophonen und ähnlichen Musikgeräten auch ein paar alte Photoapparate in unserem Wohnzimmer angesammelt. Anfänglich waren alle Geräte aus Familienbesitz. Dann kam der eine oder andere Flohmarkt-Fund dazu. Zwei oder drei Stück sind uns zugetragen worden von Verwandten oder Freunden, die uns damit eine Freude machen und gleichzeitig ihren eigenen Haushalt aufräumen konnten.

Anfänglich hatte ich mich „nur“ darüber gefreut, Accessoires aus der Zeit unserer alten Autos zu besitzen. Mit dem Anwachsen einer kleinen Sammlung erwachte in mir aber auch das Interesse, mehr über die Details, technische Besonderheiten und die Geschichte dieser kleinen Wunderwerke zu wissen. Insbesondere wollte ich sie zeitlich einordnen können. Meine Gemahlin leistete meinem Hobby Vorschub, als sie mir zur letzten Weihnacht gleich 6 Kameras schenkte, die sie per Ricardo, dem schweizerischen „E-Bay“, erstanden hatte.

Eine grosse Hilfe war mir dabei das Internet. – Es ist schon erstaunlich, wie viel man mit diesem modernen Medium erfahren kann! Und wenn man einmal selber nicht mehr weiter findet, dann gibt es bestimmt irgend ein Forum, wo freundliche Mitmenschen einen heissen Tipp, einen nützlichen Link oder eine gute Adresse nennen können.

Bekanntlich wurde 1826 die erste Photographie durch den Franzosen Joseph Nicéphore Nièpce (1756 – 1833) mit einer Camera obscura mit einer Belichtungszeit von 8 Stunden gemacht.
Als chemische Substanz nahm er einen speziellen Asphaltlack, der durch Lichteinwirkung aushärtet und mit Lavendelöl entwickelt wurde. Nièpce war ab 1829 im Kontakt mit Louis Jacques Mandé Daguerre (1787-1851), der ab 1837 ein besseres Verfahren benutzte, das auf der Entwicklung der Photos mit Hilfe von Quecksilber-Dämpfen und anschliessender Fixierung in einer Natriumthiosulfatlösung oder heissen Kochsalzlösung beruhte. Die auf diese Weise hergestellten Bilder auf versilberten Kupferplatten wurden als Daguerrotypien bezeichnet. Sie waren alle Einzelstücke.
Der Engländer William Fox Talbot (1800-1877) erfand 1835 das Negativ-Positiv-Verfahren. Im Sommer 2008 hatte ich die Gelegenheit, das ihm gewidmete Museum in Lacock Abbey (Grafschaft Wiltshire) zu besuchen, wo Talbot gelebt und gewirkt hatte. Sein Verfahren wurde ab ca. 1860 zur Grundlage aller photographischen Prozesse und ermöglichte durch Abzüge vom Negativ auch die Vervielfältigung von photographischen Aufnahmen.
Erst die Entwicklung der Digitalfotografie brachte in den 1990-er Jahren die Abkehr von den bewährten Prozessen und gleichzeitig eine totale Änderung im Umgang mit dem Bild als solches. Man denke nur mal an die moderne „Handy-Fotografie“...

Vom technischen Standpunkt aus beginnt die Entwicklung der Photographie – und damit verbunden des Photoapparates weit vor der Geburt des Automobils. Allerdings war in den ersten Jahrzehnten das Photographieren den Profis oder einer Elite vorbehalten – noch viel mehr, als das Automobil. Während der Photoapparat als technisches Gerät nicht gar so grosse Herausforderungen stellte – optische Geräte wie Fernrohre und Mikroskope waren seit ca. 1600 bekannt und feinmechanische Apparate wie mechanische Zeitmesser wurden bereits im 13. Jahrhundert hergestellt.
Die Herausforderung lag vielmehr in den chemischen Prozessen, die nötig waren, um die Bilder auf eine Fläche zu bannen und haltbar zu machen.
Der Umgang mit den Photoplatten war umständlich und anspruchsvoll, auch wenn der Amerikaner Eastman (1854 – 1932) bereits 1879 eine Maschine für die Massenproduktion von Photoplatten entwickelte. 1885 entwickelte er den ersten transparenten Film, wie wir ihn heute kennen. Er stellte Wissenschaftler an, um eine flexible, transparente Filmbasis zu entwickeln. 1888 wurde die Firma „KODAK“ gegründet und die KODAK-Kamera auf den Markt gebracht mit dem Slogan „You press the button, we do the rest“. 1889 wurde der erste transparente Rollfilm, perfektioniert durch Eastman und seine Chemiker, kommerzialisiert. 1891 brachte KODAK die erste Kamera auf den Markt, die bei Tageslicht, also ohne Dunkelkammer, geladen werden konnte.
Erst damit wurde die Photographie auch für den Laien zugänglich.

Die KODAK Box Kameras zeichneten sich durch einfache Bedienung und moderate Preise aus. Bei den ersten Ausführungen um die Jahrhundertwende kamen noch Plattenmagazine zur Anwendung, bei denen 10 Platten jeweils nach der Aufnahme nach unten klappten.
Mit der „Brownie“ Box begann ein weltweiter Siegeszug von KODAK. Simpel, kompakt und vergleichsweise günstig wurde damit die Photografie für jedermann möglich. – Und die Konkurrenz schlief natürlich auch nicht...

Meine Sammlung begann ich mit der KODAK Brownie Six-20 Model E meines Vaters. Hergestellt in England zwischen 1946 und 1957 (mit vertikalen Streifen wie beim vorliegenden Modell: 1946 – 1953), war sie ausgestattet mit einem Blitzkontakt, einer Vorlinse für Portrait-Aufnahmen sowie einem Gelbfilter. Rollfilm 620 für Negativformat 2¼ x 3¼ Zoll.

Der Gelbfilter war wohl eine Erfindung der Meteorologen: Bei den damals üblichen Schwarz-Weiss-Aufnahmen wurden die Wolken am Himmel verschärft dargestellt, so dass der Eindruck von schönem Sommerwetter entstand...

Alle Brownies sind ausgestattet mit einer einzigen Verschlussgeschwindigkeit, abgesehen von der Daueröffnung (B). Als einzige meiner Brownies besitzt sie ein Gewinde für ein Stativ sowie einen Anschluss für einen Fernauslöser. Damit ist die Brownie „E“ die am luxuriösesten ausgestattete Version aller „Brownies“. Diese Kamera passt hervorragend in die Zeit der Nachkriegs-Tractions.
Die zweite KODAK Brownie, Model D mit horizontalen Streifen, bekam ich von meinem Schwiegervater. Sie unterscheidet sich in der Ausstattung durch das Fehlen des Gelbfilters sowie der Stativschraube. Mit den horizontalen Streifen wurde sie von 1953 bis 1957 verkauft.

Die älteste meiner Brownies, eine Brownie Junior mit Art-deco-Design kaufte ich im Sommer 2008 an einem Flohmarkt in Zurzach. Sie wurde zwischen 1934 und 1942 gebaut und passt somit noch fast zu meinem AC4 von 1929. Ihre Sucher sind vom Typ „You will see what you will get…“ (Du wirst sehen, was Du getroffen hast...), denn die Mattscheiben sind beinahe undurchsichtig. Einzige Einstellmöglichkeit: Dauerbelichtung.

Als bislang letzte Brownie kaufte ich an einem Flohmarkt in England eine „Model I“. Sie ist gleich einfach ausgestattet wie die oben genannte Brownie Junior, wurde aber zwischen 1953 und 1957 gebaut. Abgesehen vom gerissenen Tragriemen ist sie in praktisch neuwertigem Zustand. Auch die makellose Tragtasche deutet auf einen Ladenhüter hin.

Wie eingangs erwähnt, hat auch die Konkurrenz nicht geschlafen. Agfa (Deutschland) bot ab 1932 die Agfa Box 44 an. Film Agfa Isochrom 2, Negativformat 6 x 9 cm. Bedingt durch die blinden Sucher ist es dem Zufall überlassen, was auf’s Bild kommt. Agfa bot in einer Werbeaktion die Box 44 zum Preis von 4 Reichsmark an, wenn die Mark-Stücke die Prägebuchstaben A-G-F und A trugen. In drei Monaten wurde fast eine Million Exemplare verkauft. Die Verluste beim Verkauf der Kamera zu diesem Preis wurden durch die Filmverkäufe mehr als wettgemacht...

In Zusammenarbeit mit dem preussischen Unterrichtsministerium erhielten die Klassenbesten in höheren Schulen eine Agfa Box 44 mit der Prägung „Schulprämie“ auf der Tragschlaufe geschenkt.

Mein Exemplar hat meine Frau zu Weihnachten via Ricardo erstanden. Ich hatte bereits im Herbst 2008 am Flohmarkt in Hilzingen ein solches Exemplar in den Händen, hatte es aber wieder zurückgelegt, weil ich glaubte, dass das Objektiv fehlte. Inzwischen habe ich herausgefunden, dass es hinter dem Verschluss im innern des Gehäuses verborgen ist...

 

Ein selteneres Exemplar einer Box ist die Reporter 6 x 6 von Lindar, Lüdenscheid (Deutschland). Da das Negativformat quadratisch ist, genügt ein einfacher Sucher. Dieser ist vergleichsweise klar. Eine Belichtungszeit und „B“, dazu Gelbfilter, Anschluss für Fernauslöser und Stativschraube. Baujahr: Ca. 1952.
Zumindest optisch gibt die Kodak Duaflex II etwas mehr her: Zweiäugig mit einem Schachtsucher, sieht sie schon fast aus wie eine „richtige“ Kamera. Kodak 620 Rollfilm, Negativformat
6 x 6 cm.
Die Ausstattung ist allerdings spartanisch. Eine Belichtungszeit (ca. 1/30) und „B“, keine Möglichkeit, die Blende oder die Schärfe einzustellen. Immerhin war es möglich, ein speziell angebotenes Blitzgerät anzuschliessen. Zur Bauzeit habe ich unterschiedliche Angaben: Eine Quelle lautet 1947 bis 1960, die andere 1950 – 1954.
Allerdings gab es auch „luxuriösere“ Ausführungen mit verstellbarer Blende sowie verstellbarer Linse. Die jüngste meiner Box Kameras ist gleichzeitig der Farbklecks in meiner Sammlung.

Es handelt sich um eine Kodak Brownie Starflash in blauem Kunststoff. Dieser Typ wurde gebaut von 1957 bis 1965 in den Farben rot, blau, hellgrau und schwarz.

In blau war sie von März 58 bis Februar 62 im Angebot. Hergestellt wurde sie in Amerika und Frankreich (hört, hört!). In den USA gab es auch eine „Coca-Cola“-Version im Verkauf mit hellgrauem Ober- und rotem Unterteil sowie der Aufschrift „Coca-Cola“. Natürlich fällt sofort der grosse Blitz auf. Im Übrigen handelt es sich um eine äusserst einfach ausgestattete kleine Kamera.

Einzige Einstellmöglichkeit bietet ein Umschalter für die Blendenöffnung, entsprechend dem verwendeten Film (Color oder Schwarz/Weiss). Film 127, Negativformat 3½ x 3½ Zoll, Diaformat 1½ x 1½ Zoll. Im Gegensatz zu einem modernen „Knipsomat“, der alle Einstellungen automatisch vornimmt, bannt diese Kamera alles so auf den Film, wie es durch das kleine Objektiv und das Loch des einfachen Scheibenverschlusses gesehen wird.

Im zweiten Teil gehe ich auf meine komplizierteren Kameras ein.