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Bericht vom Traction Owners Club Jahrestreffen 2002
(dieser Artikel erschien in der englischen Vollversion in "Floating Power", Ausgabe Sept/Okt 2002)


Der Spleen der Briten

Einige von Euch erinnern sich vielleicht noch an Marcus Lasance, der beim Frutiger Jubiläum mit seinem "Big Six" samt Familie und Anhänger auftauchte. Er gewann den Preis für die Traction, die am weitesten angereist war - von Ipswich via Südfrankreich. Seither habe ich viel für englische Tractionisten übrig. Ihre Spleens und ihre direkte, herzliche Art haben es mir angetan.

Diesen Frühling lernte ich einen weiteren von der Sorte kennen, Richard Sheil aus Dublin. Er besuchte mich auf einer Geschäftsreise und ich übersetzte seinen Erfahrungen mit der Traction in Irland für unser Clubmagazin.

Von Richard stammte wahrscheinlich der Floh im Ohr, der mir sagte, ich solle ans TOC Annual Rallye gehen. Das Programm war wirklich verlockend... von Gibraltar zum Blenheim Palace, dem Geburtsort Winston Churchills, und alles in einem Wochenende! Gedacht, gewagt, geplant, und eine Flugzeugstunde später war ich an einem Freitagmittag in London, bloss ohne eigene Traction. Abgeholt wurde ich dafür von Marcus in seinem brandneuen C5.


Die Citroën-Geheimnisse Londons, vom Space Shuttle aus

Marcus' C5 ist so neu, dass es noch Kartonschutzlagen im Fussraum und Plastik über den Sitzen hat. Stolz zeigt mir Marcus sein Verkehrswarnsystem und die Satelliten-Navigation. Nach ein paar Vertippern geht es schon ganz gut und eine Stimme führt uns, unterstützt vom punktgenauen Strassenraster auf dem Display Richtung Südwesten.


(FP Cover: Siehe Bild am Ende der Seite!)

Da wir den ganzen Nachmittag Zeit haben nehmen wir uns die zwei Tractionisten-Mekkas Londons vor: Classic Restaurations und das Bibendum. Vom der ersten Sehenswürdigkeit hatte ich immer wieder in der Traction-Mailliste gehört, und das zweite scheint eine ehemalige Dependance von Michelin gewesen zu sein.

Nach kurzer Fahrt meldet die Stimme, während wir uns auf der Old Kent Road bewegen: "You have nearly arrived". Aber wo soll hier bitte eine Traction-Garage sein? Marcus parkt in einer Seitenstrasse und geleitet mich an Büros und modernen Gargen vorbei, durch eine Passage, eine Tür... und dann sehe ich sie: auf der Rampe sind sicher schon 8 Autos verkeilt, und im ersten Stock, der eigentlichen Garage stehen mindestens 30 Tractions eng beieinander. Wahrscheinlich die dichteste Konzentration, die ich je gesehen habe. Das ist "Classic Restaurations"!


Kopf an Kopf

TAs über TAs

"Augenlos"

Dusty ladies 1

Dusty ladies 2

Marcus stellt mich dem Eigner und Garagisten John Gilliard vor und wir vergessen die Zeit während wir durch dieses Königreich der Nostalgie irren. Wir kaufen ein paar Teile und merken beim Abschied, wie durstig unsere Kehlen sind. "Nunc est bibendum!" sagen wir uns, und wo könnte man würdevoller eine Pint heben als in der gleichnamigen Brasserie an der Fulham Road 81, nur ein paar Minuten entfernt vom Harrods!



 


Bib's motto: "Nunc est bibendum!"
- Der Autor und Bib


81 Fulham Road, Michelin Tyre Co.


Marcus, ins Menü vertieft


Unser Space Shuttle, Marcus' neuer C5.

Der Felsen von Gibraltar

Bestens gestärkt reihen wir uns in den Verkehr ein, der London fürs Weekend verlässt und erreichen am frühen Abend Gibraltar. Es liegt in Oxfordshire und ist eigentlich ein Pub, "the Rock of Gibraltar". Bereits sind einige Tractionisten vorgefahren, sogar von Schottland und aus Belgien! Den Belgiern scheint keine Anfahrt lang genug zu sein, zeigen sie uns doch stolz den Sticker "wat is Citroën rijden toch formidabel" ("wie formidabel ist es doch, Citroën zu fahren!")

Auf der Wiese vor dem Pub gibt's das Welcome-Pack mit der Rallye-Dokumentation, reichlich Bier und ein sagenhaftes Barbeque. Wenn das kein guter Anfang ist. Dank dem gemeinsamen Hobby lerne ich schnell andere Angefressene kennen. Es ist schon fast neun, als Richard und sein Cousin Cormack endlich zu uns stossen. Sie haben gerade eine Fährenfahrt von Irland her und 400km Gehetze auf der Autobahn hinter sich!
Bei all diesen schönen Autos und vielen freundlichen Hunden drin oder drum herum fällt es umso leichter Kontakte zu knüpfen. Wie zum Beispiel zu den Richards, deren Terrier für das untenstehende Portrait posierte.



Great cars!

Happy TOC-ers!

Nice rallye badge!

Seiner Lordschaft Anwesen

Tags darauf kommen Marcus und ich um 8 Uhr in die Hotellobby hinunter, aber es ist noch kein Mensch zu sehen.
Wir entschliessen uns, bis zum Frühstück das Städtchen Woodstock, in dem wir zu Gast sind, etwas zu erkunden. Am Ende der malerischen Market Street geht es um eine Kurve und plötzlich stehen wir vor dem Eingang zum Bleinheim Palace! Da dort ebenfalls niemand zugegen ist, schleichen wir uns durchs offene Tor und bestaunen das herrschaftliche Anwesen mit ausgedehntem, künstlich angelegtem See und Schloss in der Ferne. Wir laufen spontan zum See hinunter und betrachten die vielen verschiedenen Vögel, Fische und Wild. Etwas Frühsport tut gut und wir laufen weiter und weiter, bis wir schliesslich nach einer Stunde den See umrundet haben. Jetzt gibt's aber ein deftiges English Breakfast mit allem drum und dran!


Tulpen in England?

Beim Treffpunkt für die Samstagsausfahrt treffen Marcus und ich wieder auf Richard und Cormack. Wir dürfen bei ihnen in der Traction mitfahren und wir tragen uns folgerichtig als das "hiberno-helvetian-lowlander team" ein. Schliesslich gibt es unterwegs eine Schnitzeljagd und etwas zu gewinnen, also schauen wir und die excellente Rallye-Dokumentation an. Was allerdings die als "tulips" bezeichneten Symbole sollen muss mir der Ex-Holländer Marcus erklären: Es handelt sich um spezielle Pfeile, die einem das Überqueren von Kreuzugen anzeigen. Von weitem gesehen sehen sie tatsächlich wie Blumensymbole aus. Die Entdeckungsfahrt kann also losgehen (nachdem vorher nochmals mit gebeugtem Rücken das Auto gründlich inspiziert worden ist!)



Blick unters Blech

Richard & Marcus

Next generation

Richard's Verwandte

The winning Twins

Schnitzeljagd und Spice Girls

Die Fahrt führt durch malerische kleine Dörfer und entlang verschlungener, heckengesäumter Strassen. Allerdings haben wir kaum Zeit für die Schönheiten der Landschaft, wir müssen ja Rätsel lösen. Eines lautet z.B. "welche Farbe hat der Pfau?" und ist auf einen Streckenabschnitt zwischen zwei Dörfern bezogen. Fast wären wir daran vorbeigefahren. Doch halt, was war das, dort im Garten eines schmucken Backsteinhauses? Der Besitzer hat aus seiner Hecke ein Figur ausgeschnitten, die einem Pfauen gleicht. Die Antwort lautet also "grün"! Der geneigte Leser merkt, wie gründlich die Strecke vorher recherchiert worden sein muss!

Das Mittagessen nehmen wir am Treffpunkt Cogges Farm ein, einem Landwirtschaftsbetrieb, der das ländliche Leben vor hundert Jahren zeigt. Unsere Tractions machen sich sehr gut zwischen den Ställen und Bauernhäusern.

Am Nachmittag folgt ein weiterer Höhepunkt mit dem Long Hanborough Bus Museum. Während drinnen toll restaurierte Perlen der lokalen Transportgeschichte die Besucher anziehen, stehen draussen noch etliche halbverrostete Doppeldeckerbusser herum, die auf eine Behandlung warten. Ein Bus kommt gar aus HongKong, und mit einem andern ist "Spice Girls - the movie" gedreht worden.
Nach der Besichtigung entdecke ich Richard, der im blauen Overall unter seinem aufgebockten Wagen liegt. Er stellt die Bremsen ein, ohne mit der Wimper zu zucken. Das nenne ich Einsatz!



Oxfordshire scenes


Richard stellt die Bremsen nach


Eine seltene 5-Gang BX-TA

Morris Drinkers und Raffle-Preise

Am Abend treffen wir uns alle wieder in einem wunderschön gelgenen Gemeindesaal. Draussen auf dem Cricket- Geländer führen die Morris Dancers ihre speziellen Volkstänze auf. Böse Zungen nennen sie auch Morris Drinkers, denn die Tänze seien angeblich nur eine Ausrede, um möglichst zünftig zu bechern.

Ich unterhalte mich prächtig mit einem Ehepaar, das drei Töchter hat, davon zwei Zwillinge. Sie sind es denn auch, die den Preis des "treasure hunt" bekommen, eine grosse Packung Schokolade. Die hat es an diesem Abend wahrscheinlich kaum zurück bis zum Hotel geschafft!

Es wird auch ein "Raffle" veranstaltet, oder zu deutsch Lose verkauft, welche die Clubkasse wieder etwas aufbessern. Als Preise sind gespendete Naturalien auf einem Tisch ausgebreitet. Der Reihe nach werden schöne Gewinne abgeholt, bis ich als Letzter unverhofft auch noch in den Genuss komme! Allerdings muss ich mit dem, was übrig blieb, vorlieb nehmen, einer Zuckerdose aus Porzellan mit Blumenmuster. Ich bin wirklich gerührt.... immerhin ein Gewinn von ca. 50 Pence Wert für meinen Einsatz von 2 Pfund!


Sonntag auf dem Schlossrasen

Der Sonntag fängt an mit einer spektakulären Fahrt durch Oxford (auf extra für uns geöffneten Altstadt-Strassen) und endet mit der Concours d'Elegance auf dem Rasen vor Blenheim Palace mit der Verteilung von ca 27 Pokalen.
Es bleibt genügend Zeit, das Schloss von innen anzusehen und um jedes der ca. 80 Anwesenden Tractions eine Runde zu machen. Sogar ein Hotchkiss-Torpedo ist zu sehen, und die Kinder geniessen es sichtlich, hineinzuklettern im grossen Tourenwagen "brumm, brumm" zu machen.



Oxfords Altstadt

Postkarten-Cabrio

Time Machine 1

Time Machine 2

Traction-Parade


Eine wunderschöne Rosalie bicolor...

bestens geeignet fürs Picknick in style

Gibt's eine perfektere Familienkutsche?

Die Jüngsten posieren im Hotchkiss

Präsident Paul de Felice mit Pokalen

Allzu bald ist es drei Uhr Nachmittags und eine wahre Reihe von Pokalen werden den schönsten Wagen zugeteilt, je nach Kategorie. Es war ein unvergessliches Treffen, bei dem ich viele Kontakte geknüpft und neues gelernt habe - und es hat nicht einmal geregnet! Das nächste TOC Annual Rallye ist 2003 in Perth (Schottland). Ob ich Euch auch davon berichten werden kann, steht allerdings noch in den Sternen.

Vielen Dank nochmals an Richard, Marcus, Robyn, Paul, Bill, Bernie und alle anderen, die dieses unvergessliche Wochende wahr werden liessen!

Sincerely, Euer Caspar