Wie original ist original?
Rudolf Weber 11.8.04
Helge Torgersen Do 16.09.2004 19:41
Thomas Wierzbitzki 19.01.2005 01:38
Mein
Auto ist eine original Big Six, 1949 in
Slough gebaut, aus mechanischen und Karosserie-Teilen, die Citroen aus
der Pariser Fabrik nach England lieferte und die dort zusammengebaut wurden.
Dazu kamen Teile aus englischer Fertigung für die Inneneinrichtung,
Elektrik, Anbauteile, Reifen etc., sodass der gesamte in England erbrachte
Mehrwert über 50 Prozent des Gesamtwertes ausmachte und der Einfuhrzoll
wegfiel. Warum das von Bedeutung ist?
Original ist hier nämlich nicht der Zustand, in dem man eine 15/6
normalerweise vorgeführt bekommt, mit Velourssitzen und blechernem
Armaturenbrett, sondern in diesem Fall ist Original Holz und Leder inklusive
Schiebedach abgesehen von der Rechtssteuerung, aber die gab es
auch aus Paris. Würde man das alles aber einer Pariser 15/6 antun,
wäre sie natürlich nicht mehr original.
Zum den englischen Attributen zählte auch ein Paar von riesigen Lucas-Scheinwerfern.
Mein Auto hat sie aber nicht, sondern hat französische Cibié-Lichter.
Die wurden in den 70er Jahren montiert, als das Auto in Frankreich einmal
aufgearbeitet wurde (den Begriff Restauration möchte ich lieber nicht
verwenden). Dabei wurden die offenbar verrosteten englischen Türen
und Kotflügel gegen französische getauscht. Ebenso der Motor,
denn das Typenschild darauf war ein französisches. Die Lackierung,
original mist green metallichrome, war sukzessive einer roten
und schließlich grünen Farbe gewichen.
War das Auto damit noch original oder nicht? Der Purist würde natürlich
verneinen.
Als ich den Wagen 1990 übernommen habe, lief der Motor gerade noch,
aber Leistung hatte er eigentlich nicht mehr. Ich erstand einen neu aufgebauten
Tauschmotor, ebenso einen neuen Kühler ohne das Loch für die
Kurbel.
Nicht original, pfui!
Der Kühler kühlt aber auch, im Gegensatz zu denen in vielen
anderen Sixen, weil er eben fast ein Fünftel mehr effektive Fläche
hat. Desgleichen habe ich moderne Gelenkwellen mit Kugelgelenken montiert,
weil mir mit den alten Doppelkardans (die auch homokinetisch sind, aber
das führt zu weit) trotz Revision die Hände nach einiger Zeit
gebrannt haben vor lauter Vibrationen (diese Geschichte ist ein andermal
zu erzählen). Letzte Errungenschaft ist eine
elektronische Zündung, mit der der Motor endlich rund läuft
der alte Lucas-Verteiler war eigentlich ein Verschlucker, denn
die Zündfunken blieben offenbar irgendwo zwischen Rotor und Kabel
hängen und langweilten sich und ein Thermostat, mit dem die
Betriebstemperatur, wie sie in alten Reparaturhandbüchern angegeben
ist, auch tatsächlich erreicht wird. Ich kann mit diesen Veränderungen,
pfleglichen Umgang vorausgesetzt, jetzt in einer Weise fahren, als ob
das Auto ein Gebrauchsgegenstand wäre. Was es ja mal war.
Ich stelle also folgende gewagte Hypothese auf: Originalität ist
mehrdeutig. Für den Puristen am originalsten (wenn man davon ausgeht,
dass hier ein Komparativ möglich ist und nicht wie beim Wort schwanger
bloß ein ja oder nein) wäre wohl ein Wagen dans son jus.
Belässt man aber ein so altes Auto in seinem Originalzustand, lässt
es sich nicht mehr in einer Weise fahren, wie sie original
wäre, nicht einmal, wenn die mechanischen Komponenten einigermaßen
funktionieren. Heutige Anforderungen sind einfach höher, auch wenn
man sich das nicht eingestehen mag und auch fahrerisch alte Zeiten
spielt. Da bleibt das Auto Schauobjekt und nicht mehr.
Das ist für meine Begriffe aber ganz und gar nicht original. Schließlich
ist man vor fünf Jahrzehnten auch nicht mit dem Auto auf dem Lastwagen
irgendwohin gefahren, hat es dort abgeladen und bestaunen lassen, hat
es wieder aufgeladen und in den klimatisierten Keller gestellt. Sondern
man hat sich reingesetzt, den Startknopf gedrückt (meinen muss man
drücken und nicht ziehen, echt original!) und ist losgefahren zum
Picknick auf die grüne Wiese. Oder man hat eine Reise gemacht, über
viele hundert Kilometer womöglich. Mein Vater ist anfangs der Fünfziger
in seinem Buckel-Standard kreuz und quer durch Deutschland gebraust, jede
Woche von Hamburg nach München und retour.
Ich bin gestern von Benken (Kanton Zürich) nach Wien gefahren, einfach
so. Wäre das Auto original gewesen, wäre ich vermutlich spätestens
in Wattwil liegen geblieben. Nicht dass ich etwas gegen Wattwil hätte,
aber so ist es mir doch lieber.
Nun sind das alles Veränderungen, die man nicht gleich sieht. Sie
sind zwar nicht original, aber ermöglichen eben den einigermaßen
angenähert originalen Gebrauch. Etwas anderes ists
mit Dingen, die den Gebrauch nicht oder kaum beeinflussen. Dazu gehört
zum Beispiel der Kennzeichenhalter. Wie ich das Auto gekauft habe, war
ein französischer auf der linken Seite montiert. Ich habe jetzt einen
englischen auf der rechten Seite. Die Rücklichter (oder besser Rück-Funzeln)
sind ebenso anglisiert wie die Positionslichter auf den vorderen Kotflügeln,
die jetzt blinken (müssen). Und die famose englische Gepäckbrücke
im Kofferraum habe ich nun auch, die hatte nämlich gefehlt.
Meine Frage an die citroenesque Kollegenschaft: Ist das Auto damit originaler?
Kann man es gar original nennen? Oder muss ich es dazu mist green
spritzen lassen? Wie das aussieht, lässt sich hier bestaunen: http://www.traction-avant.co.uk/
(unter Big Six and 15CV). Schwarz wäre mir nämlich
lieber. Und soll ich mich um ein Paar der großen alten Lucas-Scheinwerfer
bemühen? Ziemlich aussichtslos, die späteren, kleineren gäbe
es noch, aber die sind potthässlich. Und darf ich die vorderen Bremstrommeln
gegen solche vom HY tauschen, sodass ich auch richtig bremsen kann? Die
hätte ich nämlich schon.
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Thomas Wierzbitzki 19.01.2005 01:38
Hallo Rudolf,
da gibt es doch so ein Zitat ach, zwei Seelen wohnen
in meiner Brust, ich möchte sagen, in meiner Brust wohnen drei!
Originalität, wunderbar, doch in welcher Form?
TOP-Restaurierte Fahrzeuge? Wunderbar, wenn mal zuviel Geld
hat!
Dezent modifizierte Originalfahrzeuge? Dito!
HOT-ROD? Bewundere ich ebenfalls die technische Lösung
und Arbeit, die in diesen Fahrzeugen steckt!
Fahrzeuge mit Patina, mir am Liebsten, hauptsächlich
wegen des Geldbeutels, aber es macht einfach Spass, mit so einem Fahrzeug
zu fahren, und sich nicht gleich aufregen zu müssen, weil mal jemand
ans heilig Blechle packt!
Wenn das Auto noch verkehrsicher ist (damit meine ich nicht
TÜV), gibt es ja heutzutage Gottseindank in Deutschland das rote
07er Kennzeichen, damit kann man auch ein Auto fahren, was nicht unbedingt
den TÜV-Bestimmungen entspricht, aber durchaus noch verkehrssicher
ist!
Mein Auto hat etwas Rost, wie üblich für sein
Alter, aber ist mit Unmengen an Wachs und Fluid-Film getränkt, der
rostet nicht mehr weiter, und ich hab kein Problem, wenn mal jemand übers
Blech streicht und sagt, so ein Auto war mal mein Jugendtraum.
Dies sollte meiner Meinung nach für alle Oldtimer gelten!
Ich hab übrigens keinen Citroen, erst recht keinen
Traction Avant (Gefällt mir übrigens sehr gut, aber leider zu
viel Arbeit und keine Zeit), sondern einen ganz normalen ´74er 450SEL
mit 300.000km im Originalzustand, unrestauriert, mit Rost, aber konserviert.
Das ideale Sonntagsausflugauto! (Damit meine ich jetzt nicht dieses Modell,
sondern den Zustand!!)
http://www.junghi.de/Meine%20Autos/album1/07.jpg
Gruß aus Düsseldorf
Thomas
p.s. Das Auto hast TÜV, aber in zwei Jahren?? Warscheinlich
das Gleiche, das rostet es, da müssen Sie was dran machen
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