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Träume werden wahr - früher oder später

Roland Reichert

Mein Name ist Roland Reichert, ich werde dieses Jahr 55 Jahre alt und ich wohne in Deutschland im schönen Saarland, ganz nahe der Französischen Grenze. Mein eigentliches Hobby ist der Citroën 2CV und ich bin Präsident des 2CV-Club Action-Ents-Saar. Im Traction Avant Club hier bin ich noch ein „Frischling“, wenngleich mich das Thema TRACTION Avant schon seit vielen Jahren beschäftigt hatte. Der Grund, warum ich mir nicht – wie ursprünglich geplant - erst im Rentenalter diesen Traum erfüllt habe, liegt an einer Äußerung, die meine Lebensgefährtin Christiane Lentes vor gut zehn Jahren gemacht hatte. Damals sagte sie in einer netten Runde von 2CV-Freunden, dass sie, wenn sie in Rente käme auch wieder Auto fahren wolle, aber dann müsse es unbedingt ein 11er Citroën sein. Seit 1982 ist sie zwar im Besitz eines gültigen Führerscheines, hatte aber bislang kein eigenes Fahrzeug, weil einfach die stadtinternen Buslinien in Saarbrücken den Besitz eines solchen überflüssig gemacht hatten und sie nur unnötigerweise die monatlichen Kosten für Parkplatzgebühren hätte zahlen müssen.
Es begab sich im Februar 2010, dass ich aus dem Nachlass von Herrn Friedhelm Meisen, seines Zeichens Citroën-Ersatzteilehändler in Jüchen bei Köln, eine gelbe Dyane gekauft hatte. Bei der Abholung des Fahrzeuges entdeckte ich im recht umfangreichen Fuhrpark des Herrn Meisen eine Traction Avant 15/six. Seit seinem viel zu frühen Tod im Oktober 2008 war das Fahrzeug nicht mehr gefahren worden und hatte dementsprechend eine dicke Staubschicht auf dem im fahlen Neonlicht der Garage blitzenden Blechgewand. Ich kam nicht umhin, den „Garagenfund“ in einer Hand voll Fotos zu verewigen – nicht ahnend, dass ich mich bei dieser unvorhergesehenen Begegnung mit der „Reine de la Route“ infiziert hatte.
Kaum, dass die kostbare Fracht der zitronengelben 79ziger Dyane wohlbehalten im Saarland in meiner Einfahrt abgestellt war, lud ich die Fotos dieser Reise auf meinen Rechner hoch und ließ den Besuch in Jüchen Revue passieren.

Beim Anschauen der Bilder des 15/six war er wieder da, der unbändige Wunsch, so ein Fahrzeug besitzen zu wollen. Die Erinnerung an die Worte von Christiane verlieh dem Gedanken Flügel und ich erwog, für meine Liebste ein Geburtstagsgeschenk der ganz besonderen Art in Angriff zu nehmen. Da bis zum 21. April noch so einige Wochen Zeit war, stand das Unterfangen unter einem guten Stern.
Eine weitere Sache machte für mich den 15/six von Herrn Meisen zu etwas ganz Besonderem. Er stand nicht offiziell zum Verkauf und er wurde von Friedhelm, einem erfahrenen Citroënisten bis 2008 gehegt und gepflegt. Das alles gab mir halbwegs die Sicherheit, ein Fahrzeug vorzufinden, welches kaum negative Überraschungen in sich bergen würde.
Ich arrangierte – natürlich ganz geheim – eine ordentliche Besichtigung des Fahrzeuges in Jüchen und machte erste Recherchen im Internet, um mir so viele Informationen wie möglich zum Thema Taction-Avant anzulesen. Unweigerlich führte das auch zu meinem ersten Kontakt mit der großen Szene, die sich um diese Fahrzeuge rankt. Eine der schönsten und informativsten Seiten fand ich beim Citroën Traction Avant Club (CTAC) in der Schweiz. Erste Gehversuche führten mich in die umfangreiche „Galerie“ der Fahrzeuge und Mitglieder. Dabei galt mein Hauptinteresse natürlich einem 15/six, der dem von mir anvisierten Fahrzeug am ähnlichsten schien. Fündig wurde ich mit dem sehr schönen Fahrzeug von Clubmitglied Thomas Loebenstein, welches zumindest rein optisch fast identisch mit dem 15/six von Herrn Meisen ist. Per E-Mail suchte ich Kontakt mit Herrn Loebenstein und wenige Tage später, pünktlich zu meinem Besichtigungstermin in Jüchen, stellte er mir eine wunderbare Check-Liste zusammen, mit der ich das Fahrzeug auf Mängel untersuchen sollte. Natürlich hatte ich zu diesem Zeitpunkt schon eine ganze Fülle an Informationen, aber diese Liste war das sogenannte i-Tüpfelchen, was mir sehr geholfen hat. In Köln angekommen war erst mal eine Probefahrt angesagt. Der Wagen war gewaschen worden und sah nun doch schon ein gutes Stück respektabler aus als bei meinem ersten Besuch und es stellte sich ein gewisses Fieber bei mir ein. Der Sechszylinder tat wunderbar schnurrend seinen Dienst, die noch winterliche Sonne strahlte vom blauen Himmel und ich genoss erst mal nur als Beifahrer meine erste Fahrt mit der „Königin der Straße“. Die Schaltung am Armaturenbrett - einfach genial – ob ich wohl so etwas auch fahren könnte? Keine 5 km später sollte ich es wissen, denn der junge Mann, der mir das Fahrzeug seiner Chefin präsentieren sollte, hielt an zum Fahrerwechsel. Mit dem Fahrerwechsel und dem Wendemanöver tauchte dann auch schon das erste Problem auf. Das Schalt-Gestänge hatte sich im Armaturenbrett ausgehängt. Der Routine nach, mit der mein Chauffeur das Malheur in den Griff bekam, entnahm ich, dass diese Panne nicht zum ersten Mal aufgetreten war. Schon bei Fahrtbeginn wusste ich mit meinem neuen Fach-Wissen zu glänzen und hatte dezent darauf hingewiesen, dass der Traction Avant möglichst nur im Stillstand in den ersten Gang geschaltet werden darf/soll. Als Fahrer eines Citroën BX wunderte sich der gute Mann immer schon, wieso ihm nie eine kratzfreie Schaltung beim 15ner gelungen ist – ab da hatte er dieses Erfolgserlebnis.
Dann fuhr ich zum ersten Mal den 15/six, natürlich mit ordentlich Respekt und der gebotenen Vorsicht, mit der man ein fremdes Fahrzeug bewegt. Keine 2 km später erstarb dann unvermittelt während der Fahrt über die Landstrasse der Motor. Nach kurzem Blick unter die imposante Motorhaube war aber rasch das Problemchen lokalisiert, denn es handelte sich lediglich um die Zündverstellung, die schlichtweg vergessen wurde. Weiter ging es und mein Beifahrer unterwies mich in der recht überschaubaren Bedienung der Schalter und Knöpfe am Armaturenbrett.
Den über der Frontscheibe angebrachten Wischermotor startete er mit einem mittels Isolierband daran befestigten Schalter, wie ich ihn aus dem Armaturenbrett meiner Deuxchevaux kenne. Die Abschaltung indessen ignorierte der Schalter jedoch und der Wischermotor konnte nur durch das Abziehen des Kabelsteckers zum Anhalten gebracht werden. Unterdessen waren wir aber auch schon wieder an unserem Ausgangspunkt der Probefahrt angelangt und ich ging gleich zu Phase 2 meines „Geheimauftrages“ über. Der hydraulischen Vierarm-Hebebühne wollte ich das gute Stück nicht anvertrauen, wusste ich doch aus den „Technischen Berichten“ der CTAC-Seiten, dass der 15/six nur an speziell dafür ausgelegten Punkten angehoben werden sollte.
Mit einem mitgebrachten Rangierwagenheber verschaffte ich mir jeweils die erforderliche Boden-freiheit, um alle Punkte nach der Checkliste von Herrn Loebenstein in Augenschein zu nehmen. Im Großen und Ganzen fanden sich nur kleinere Unterhaltungsrückstände, da das Fahrzeug ja schon zwei Jahre lang nicht mehr gepflegt und bewegt wurde. Um die 70 Fotos hatte ich gemacht und bin mit der recht hohen Preisvorstellung von 20.000 Euro erst einmal mit gemischten Gefühlen zurück in die Heimat gefahren. Da wäre doch noch so einiges an Arbeit fällig vor der Inbetriebnahme . . .
Den allgemeinen Erhaltungs-Zustand des 15/six konnte ich an Hand der vielen Fotos als recht passabel mit überschaubarem Pflegestau beurteilen. Was ich allerdings absolut nicht abschätzen konnte, das war der Marktwert, den ein solches Fahrzeug darstellt. An dieser Stelle waren mir dann Herr Loebenstein in Wien und die in Saarbrücken ansässige Firma Diemer & Dalheimer, die sich auf die Pflege und Restauration von Klassischen Fahrzeugen spezialisiert hat behilflich.
Sowohl Herr Loebenstein, als auch Herr Diemer befanden den 15/six an Hand der Fotos vom Zustand her als gute Substanz mit kleineren Schönheitsfehlern, bezifferten beide jedoch den Wert auf maximal ca. 16 bis 17.000 Euro. Mit dieser Information und der Bereitschaft für meinen Traum auch noch bis zu 18.000 Euro zu zahlen ging ich erneut in Verhandlung mit der Besitzerin in Köln, wollte dann aber die von Ihr geforderten 19.000 nicht mehr wirklich zahlen. Schade, aber irgendwo waren auch meine Mittel begrenzt.
Ein Arbeitskollege, dem ich den Werdegang meiner Bemühungen geschildert hatte, fragte mich, ob ich denn schon mal im Internet auf mobile.de oder autoscout.de gesucht habe. - Nein, hatte ich noch nicht. Ich hatte ja überhaupt nicht danach gesucht, sondern war rein zufällig über das Auto gestolpert. Dermaßen inspiriert setzte ich das eben Gefragte aber gleich in die Tat um, fand jedoch im Internet leider keinen 15/six, der auch nur annähernd vergleichbar gewesen wäre. Bei einem stimmte zwar der Preis, doch der Zustand lag dafür weit hinter dem Fahrzeug von Herrn Meisen zurück. Bei dieser Suche stieß ich aber auf einen 11 BN, der in Bad Vilbel bei Frankfurt zum Preis von 16.900 Euro zum Verkauf angeboten wurde. Erstaunlich war die reich bebilderte Anzeige, die das Fahrzeug nicht nur von außen, sondern auch von innen und von unten darstellte. Zudem war detailliert aufgeführt, was an dem Fahrzeug in den letzten Jahren revidiert worden war und was alles noch als „Zubehör“ im Kaufpreis enthalten wäre. Da meine allerliebste Christiane ohnehin einen 11er als „Traumauto“ Ihr Eigen nennen wollte, sah ich es als Fügung des Schicksals und keine fünf Minuten später war ich im Gespräch mit Herrn Rolf Stockbauer, dem Besitzer des Wagens. Die Frage mit dem „Warum verkaufen Sie ein so schönes Fahrzeug“ wurde mir mit „Markenwechsel“ beantwortet. Er habe sich einen Morgan gekauft und trage sich nun mit dem Gedanken, einen Zweiten zu kaufen – aber seine Frau habe Ihm die Pistole auf die Brust gesetzt und gesagt – erst müsse der FRANZOSE weg . . .

Citroen Traction Avant 11BN

Wir einigten uns auf einen Besichtigungstermin und ich flog quasi mit meinem Citroën Berlingo am Frankfurter Flughafen vorbei nach Bad Vilbel. Der erste Blickkontakt mit dem 11er entschädigte mich spontan für den „entgangenen“ 15/six. Das Fahrzeug zeigte sich in eindeutig besserem optischen Zustand und auch die Offerte der fast kompletten Dokumentation nebst Wertgutachten und umfangreichem Ersatzteilefundus stimmte mich freudig und irgendwie schien auch sofort die Chemie zwischen mir und Herrn Stockbauer zu passen.
Eine Probefahrt durch den Ort, bei der er mindestens dreimal von Passanten gegrüßt wurde, zeigte mir, dass der Wagen und auch sein stolzer Besitzer keine Unbekannten im Ort sind. Zu dem Fahrzeug gehört auch ein Dachgepäckträger, den er selbst noch nie am Fahrzeug montiert hatte. Wir testeten, ob das große Teil eventuell auch im Berlingo zu transportieren sei und als er dann wie angegossen im Laderaum liegt beschließt Herr Stockbauer, mir das gute Stück schon jetzt anzuvertrauen. Die Frage, ob am Kaufpreis noch etwas zu machen wäre, beantwortet er mir mit einem Preisnachlass auf runde 16.000 Euro. Ich war hocherfreut und erst mal absolut sprachlos. Ich verabschiedete mich von Ihm mit einer unbändigen Vorfreude auf die nun tatsächlich in Erfüllung gehende „Geburtstagsüberraschung“. Nur gerade so schaffte ich es noch rechtzeitig über die ca. 220 km nach Saarbrücken und konnte ohne Erklärungsnöte meine Partnerin von der Arbeit abzuholen . . .
Am Freitag der laufenden Woche tätigte ich die Überweisung des Kaufpreises auf das Konto von Herrn Stockbauer und machte per Mail die Vollzugsmeldung. Die Abholung war für den Dienstag-Nachmittag der kommenden Woche geplant, doch bis zum Morgen des Dienstages war noch immer kein Geld auf dem Konto in Bad Vilbel eingegangen. Ich konnte es Herrn Stockbauer nicht verübeln, dass er das Fahrzeug nur aushändigen wollte, wenn er das Geld auf dem Konto habe, aber gegen Mittag kam die erlösende Botschaft – alles klar, der Abholung stehe nichts im Wege.
Mit einem Clubfreund ging es wieder Richtung Bad Vilbel. Nach Ausfüllen des Kaufvertrages, der Bezahlung und kurzer Einweisung verabschiedeten wir uns von Herrn Stockbauer und zum ersten Mal in meinem Leben war ich Pilot eines Citroens 11 BN. Der zusätzlich nachgerüstete Lüfter vor dem Kühler konnte ab dem Frankfurter Flughafen zeigen, wofür er eingebaut wurde, denn von da an bis Mainz Lerchenberg war ein langer „Stau“ angesagt – etwas, von dem man 1953 noch nicht mal gewusst hätte, was es ist. Auf dieser Strecke lernte ich ohne Zweifel auch das richtige Anfahren mit dem Traction Avant.
Eine noch nicht auf Sommerzeit umgestellte Uhr nebst einem notwendig gewordenen Tankstop für den Berlingo brachten mich in der Heimat noch in Erklärungsnöte, wieso ich meine Liebste nicht von der Arbeitsstelle abholen konnte und ich auch nicht zu erreichen war. Mit knapper Not(lüge) konnte ich mein Geheimnis über die Runden retten, nachdem der 11er erst mal in meiner Halle versteckt war.

Citroen Traction Avant 11BN

Dann kam der Tag der Überraschung näher und Tom, ein Clubfreund aus Mannheim wollte es sich nicht nehmen lassen, mich bei der Übergabe mit seiner weißen Göttin (Citroën DS) zu begleiten. Schon nach knapp 200 m hatte ich das erste Problem mit dem 11er. Es stellte sich jedoch heraus, dass auch ein 11er Citroën nicht ohne Benzin läuft, doch Tom kennt mein diesbezügliches Problem mit meinen vielen Fahrzeugen, von denen immer eines so gut wie leer ist und führt seit Jahren immer schon einen Kanister Benzin mit sich, wenn er ins Saarland kommt. Nur dadurch schafften wir es dann auch pünktlich mit 11er und DS bis vor die Landesversicherungsanstalt des Saarlandes nach Saarbrücken, aus der keine drei Minuten später meine Christiane vor die Tür trat. Sie glaubte erst, da sei eine Hochzeit im Gange, da Tom auch noch fünf langstielige rote Rosen mitgebracht hatte und diese vor der Motorhaube des 11er drapiert hatte. Dann erblickte Sie uns beide und fragte, was das denn darstellen sollte. Ich sagte Ihr, auf den Traction-Avant deutend : „Das ist Dein Geburtstagsgeschenk“ . . .
„Wie jetzt, hast Du den geliehen“? Die Vermutung lag nahe, denn es waren ja noch die Schilder von Bad Vilbel, Kreis Friedberg (FB) am Fahrzeug montiert. „Nein“, sagte ich : „Das ist Dein neues Auto, wie Du es schon immer haben wolltest“. Erst als auch Tom Ihr versicherte, dass das wirklich Ihr 11er sei, stieg Sie immer noch ganz ungläubig auf der Beifahrerseite ein und genoss die erste Fahrt in dem Wagen. Zur Feier des Tages fuhren wir im Konvoi mit 11er und DS zu unserem Stamm-Lokal und erst dort bei einem schönen gemütlichen Essen realisierte Christiane so ganz langsam, dass alles Wirklichkeit war und sie nicht gerade einem „Tagtraum“ aufsaß.
Die Überraschung war mir also tatsächlich gelungen und damit allen physischen und psychischen Stress wert, den mir die letzten sechs Wochen bereitet hatten.
Das Fahrzeug wurde auf mein Oldtimer-Sammlerkennzeichen zugelassen und war in 2010 prompt eines der meist bewunderten Fahrzeuge als wir im Oktober mit dem Oldtimerclub Kirkel-Limbach für eine Woche Erlebnistour ins Altmühltal bei Nürnberg fuhren.
In den fast zwei Jahren, die wir nun das schöne Fahrzeug besitzen, haben wir bereits 4888 km zurückgelegt. Wir sind absolut begeistert von der Zuverlässigkeit des Fahrzeuges und freuen uns schon heute auf die Oldtimerfahrt 2012, die uns Anfang August nach Mecklenburg-Vorpommern führen soll. – Jetzt muss sich meine liebe Christiane nur noch dazu durchringen, Ihren schönen Traction-Avant 11 BN auch mal selbst zu fahren . . .

Alles Gute für die Saison 2012 wünscht Roland Reichert

Vergleiche auch Roland Reichets Gedanken zur Originalität:

http://www.tractionavant.ch/Berichte/Originalitaet/reichert.php