zurück

Lieber Leser,
das Leben ist manchmal voller überraschender Zufälle. Manchmal sind diese zum
eigenen Vorteil, manchmal entsteht daraus ein Nachteil. Und manchmal weiss man
nicht so recht, ob man die Auswirkungen eines Zufalls als positiv oder negativ
betrachten soll.
Aber entscheiden Sie selbst…
AC4 Taxi: Fortschritte – Bericht 2
Bericht und Fotos: Daniel Eberli

In meinem 1. Fortschritts-Bericht hatte ich scheu die Frage aufgeworfen, ob die Arbeiten
am Taxi meiner Frau wirklich als Fortschritt zu bezeichnen sind, oder ob vielleicht der
Begriff "Rückschritt" treffender gewesen wäre. Auch jetzt, Monate später, hat sich
diesbezüglich wenig geändert. Das heisst jedoch nicht, dass ich untätig gewesen
wäre…
Ich habe mir zur Gewohnheit gemacht, nicht nur die CTAC-Homepage zu lesen,
sondern auch hin und wieder bei unseren nördlichen Nachbarn einen Blick auf's Internet
zu werfen. Ganz besonders interessieren mich die Beiträge im Forum des Citroën
Veteranen Clubs http://www.cvc-club.de/forum/showthreads.php?forumid=1. Oft werden
dort aufschlussreiche Berichte geschrieben und zuweilen auch hochstehende
technische Fragen diskutiert.
In diesem Forum stiess ich Mitte Juni auf ein Angebot für diverse Teile AC4 1929,
darunter "Kardan Hinterachse" und "diverse Teile". Nun, ein Kontakt konnte nicht
schaden, und so erkundigte ich mich per Mail, welche "diverse Teile" denn noch zu
haben wären.
Während des Mail-Verkehrs stellte sich heraus, dass die Verkäufer eine gesunde AC4-
Limousine von 1929 zu einem tiefer gelegten Hot-Rod mit grossvolumigem Motor
umbauen wollen und deshalb "diverse Teile" nicht mehr gebrauchen konnten. Da bei
mir bereits ein Ersatzmotor und ein Getriebe herumliegen, war ich daran nicht
interessiert.
Hingegen versprach ich mir die Lösung einiger Probleme, wenn ich mir die oben genannte Kardanwelle, die Hinterachse, aber
auch die Vorderachse und – nach einigen Mails, um herauszufinden, ob das Chassis die gleichen Masse aufweist wie dasjenige meines Taxis – den angebotenen Rahmen beschaffen konnte. Im Bericht "Fortschritte 1" hatte ich erwähnt, dass mir besonders die Aufhängepunkte der
Blattfedern Sorgen machten. So kam ich auf die
geniale Idee, diese zwei oder drei Problemzonen
mit einer einzigen genialen Aktion – dem Umsetzen des Taxis auf das neue Chassis - zu beheben respektive zu umgehen. Getreu meinem Grundsatz: "Wir haben die Lösung, bringen Sie
uns das Problem". Dass ich damit den Teufel mit dem Belzebub austreiben wollte, übersah ich geflissentlich. Ich war mir nicht sicher, ob ich auch dann eine Lösung hatte, wenn ich selbst das Problem war...
Ein lieber Kollege brachte mir im Oktober das Chassis, die Achsen und diverse
Kleinteile in die Schweiz, und wir verbrachten zur Entschädigung ein Wochenende in
den Bündner Bergen. Rahmen und Achsen waren tatsächlich in markant besserem
Zustand, als die entsprechenden Teile unseres Taxis, und die Abmessungen schienen
zu bestätigen, dass die Teile zum Taxi passen müssten. – Ganz sicher sein kann man
da nie, bis man es 1:1 versucht hat, denn in der Serie wurden laufend kleine
Änderungen und Entwicklungen vorgenommen. Zudem müsste ich hier vielleicht noch
erwähnt werden, dass im Hinblick auf die geplante Verwendung für einen Hot-Rod
diverse Teile wie z.B. die Trittbrett-Träger, welche am Chassis festgenietet waren,
entfernt worden waren.
Bevor ich mich ernsthaft um das Taxi kümmern konnte stand hingegen die Renovation
respektive der Umbau unseres Badezimmers an. Ich will hier nicht weiter darauf
eingehen, nur soviel: Das Fenster unseres Badezimmers geht direkt auf den Benkemer
Friedhof hinaus. Beim Herausspitzen der alten Plättli und beim Zerlegen der 200 kg
schweren Guss-Badewanne glaubte ich mehrfach mit meinem geistigen Ohr das
hämische Lachen vom Vorbesitzer unseres Hauses, vom seligen Maurer Räss, zu
hören, hatte dieser doch vor rund 50 Jahren die Fliesen mit reinem Zement befestigt
und wahrscheinlich die Arbeit für die Ewigkeit berechnet.
Inzwischen ist dieses Projekt praktisch abgeschlossen, und ich kann mich wieder dem
Taxi zuwenden.
Für das Umsetzen des Taxis stellten sich mir zuerst mal logistische Probleme. Nur wer
bereits einmal ein Auto zerlegt hat, weiss, wie viel Platz eine "Explosionszeichnung im
Massstab 1:1" benötigt! Wie im Bericht "Fortschritt 1" erwähnt, steht das Taxi zur Zeit
ohne Vorderachse über der Grube. Obwohl etwas beschränkt, findet das "neue"
Chassis links daneben gerade noch Platz. Hingegen muss ich ja gewissermassen
über's Kreuz arbeiten, da diejenigen Teile, welche ich zuerst demontiere, zuletzt wieder
montiert werden können.
Einmal mehr kam mir ein glücklicher Umstand zu nutze, indem mir ein Mitglied der
"Oldtimer-Freunde Gennersbrunn" zum Überwintern einen Hallenplatz anbot. Dadurch,
dass ich meinen "Six" für einige Monate auslagern kann, kann ich das Platzproblem
etwas entschärfen.
Als ich zum ersten Mal das leere "neue" Chassis neben dem kompletten Auto liegen
sah, kam ich mir schon etwas bekloppt vor. – Warum tut man sich so was an?!?
Vernünftige Männer trinken nach der Arbeit ein Bier und sitzen vor den Fernseher oder
lesen ein Buch. An freien Tagen schneiden sie den Rasen, waschen das Auto oder
gehen mit der Partnerin in der Migros einkaufen… Ich kann mir nun viel besser
vorstellen, wie sich mein Vater gefühlt haben muss, als er 1967 mit Ajax das Dach
seines frisch erworbenen Légères fegte. Siehe "Em Pöschtler sini Zitrone"
http://www.tractionavant.club/Berichte/Geschichte/poeschtler_zitrone/poeschtler_zitrone.php

Während die rechte Seite der
"neuen" Vorderachse in praktisch einwandfreiem Zustand war, musste ich auf der linken Seite feststellen, dass das Auge im Achskörper ebenfalls mehr Spiel hatte, als ich tolerieren wollte. Ich brachte den ganzen Achskörper dem Mechaniker in Marthalen, der mir bereits die neuen Ausgleichsstücke für die vorderen Blattfedern hergestellt hatte. Er spannte die Achse auf, bohrte das Loch im richtigen Winkel aus und fertigte eine Büchse.
Bereits eine Woche später konnte ich den Achskörper wieder abholen und mit der
Montage der Achsschenkel beginnen. Die Büchsen in den "neuen" Achsschenkeln
konnte ich belassen. Ich ersetzte die Bolzen sowie die unten liegenden Kugellager und
stellte dann mit Genugtuung fest, dass kein nennenswertes Spiel mehr feststellbar war.
Als nächstes nahm ich mich der vorderen Bremsen an. Dabei machte ich beim Taxi die
Feststellung, dass vor nicht allzu langer Zeit die Bremsbeläge ersetzt worden waren. offensichtlich war dabei kein besonders sorgfältiger Mechaniker am Werk: Die Hälfte der Bremsbacken wurden falsch montiert, das heisst, rechts und links vertauscht.
Das schiffchenartige Gebilde, welches, betätigt per Seilzug und Umlenkung, die Backen auseinander drücken soll, konnte damit bei der einen Bremsbacke nicht mehr auf die dafür vorgesehenen Rolle wirken, was die Brems kraft drastisch reduzierte.
Es war leicht zu erkennen, dass der Bremsbelag der einen Bremsbacke überhaupt nicht angeschliffen war. Leider musste ich noch eine weitere Feststellung machen: Anscheinend sind zumindest in Europa die Fachleute für mechanisch betätigte Trommelbremsen am
Aussterben. Nur so lässt es sich erklären, dass ich bei den Bremsbacken des Taxis die
gleichen Fehler feststellen musste, wie sie auch bei Derendinger in Winterthur gemacht wurden, als ich die Bremsen meines AC4 Torpédos neu belegen liess: Die Backen wurden ohne Rücksicht auf die oben erwähnten Rollen sandgestrahlt mit dem Ergebnis, dass sich diese Rollen wegen des eingeschlossenen Sandes kaum mehr drehen
liessen. Zudem hatte man es unterlassen, die Bremsbeläge am Anfang und am Ende
schräg anzuschleifen. – Nach meiner Einschätzung ein Fehler, welcher die Neigung
zum Quietschen und Rubbeln verstärkt.
In stundenlanger Arbeit gelang es mir, die Rollen einigermassen gängig zu machen.
Dann setzte ich die Bremsen wieder zusammen. Mit Freude stellte ich fest, dass auch die Umlenkhebel für die Bremsen bei den „neuen“ Achsschenkeln viel weniger Spiel haben.
Somit liegt nun die Vorderachse zum Einbau bereit. Für das Entrosten und Reinigen der kleinen Teile habe ich mir kürzlich eine kleine Strahlkabine angeschafft. So weit so gut – nur musste ich feststellen, dass mein Kompressor eine zu geringe Literleistung hat. Sandstrahlen wurde zur Geduldsprobe, bis jeweils wieder genügend Luft komprimiert war. – Dabei läuft mir doch die Zeit davon... So entschloss ich mich denn, einen leistungsstärkeren Kompressor anzuschaffen. - Muss wohl (ähnlich wie die Hüte meiner Frau) als Folgekosten abgebucht werden...

Ach ja, ich muss ja noch erklären, weshalb mir die Zeit davon läuft: Für Freitag/Samstag
9./10. April 2010 sowie eine Woche später habe ich wieder meine beliebten Reparatur- und
Servicekurse für Anfänger ausgeschrieben. Für den jeweiligen Praxisteil muss die Arbeitsgrube
frei sein, was bedeutet, dass bis dann die beiden Chassis mit dem, was bereits oder noch aufgebaut ist – wie auch immer – aus der Garage geschoben, gerollt oder gefahren werden muss.
Dabei weiss ich im Augenblick noch nicht einmal, in welche Segmente der Taxi-
Aufbau zerlegt werden kann. Werde ich, mich von vorne nach hinten durchzuarbeiten und als nächstes den Motor ausbauen, oder werde ich von unten nach oben vorgehen und mit der Demontage der Hinterachse weitermachen? Verpassen Sie auf keinen Fall den nächsten Bericht, wenn es wieder heisst: AC4 Taxi: Fortschritte…

Daniel Eberli
P.S. Lieber Leser, haben Sie sich inzwischen eine Meinung gebildet, ob der Kauf des
Chassis eine gute Idee war?

 

Weiter zum Bericht 3

Zurück zum Teil 1

Zurück zur Einführung